Gemäß einer Analyse des Medizinprofessors und Facharztes Günter Kampf verfehlten die 2G-Maßnahmen ihre Ziele auf ganzer Linie.
Der Facharzt und außerplanmäßige Professor für Umweltmedizin und Hygiene Günter Kampf hat im Februar diesen Jahres sein drittes Buch zum Corona-Komplex veröffentlicht. Kampf ist Autor von über 240 Artikeln in Fachzeitschriften, er war 18 Jahre in leitenden Funktionen bei einem Desinfektionsmittelhersteller tätig. Bereits seine beiden vorangegangenen Bücher beschäftigten sich mit den Nutzen, Risiken und Folgen der Corona-Maßnahmen sowie mit der Fragestellung, wie frei die Wissenschaft in Zeiten der Pandemie ist. In der international hoch angesehenen Medizinfachzeitschrift Lancet veröffentlichte Günter Kampf zusammen mit dem Top-Epidemiologen Martin Kulldorff im August 2020 einen Artikel, der eine Kosten-Nutzen-Analyse der Corona-Maßnmahen forderte. Im November 2021 schrieb er ebenfalls im Lancet zur Stigmatisierung Ungeimpfter folgendes:
„Ich fordere hochrangige Beamte und Wissenschaftler auf, die unangemessene Stigmatisierung ungeimpfter Menschen, zu denen unsere Patienten, Kollegen und andere Mitbürger gehören, zu beenden und zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Gesellschaft zusammenzubringen.“
Vorangegangen war ein Artikel beim Brownstone Institut, in welchem er auf breiter Faktenbasis darlegte, dass es die vielbeschworene “Pandemie der Ungeimpften“ nicht gab. Dieser Phantasma wurde zuvor plötzlich und global verwendet, um Ungeimpfte für das fortschreitende Corona-Infektionsgeschehen hauptverantwortlich zu machen.
Günter Kampfs neues Buch aus der Reihe „Pandemiemanagement auf dem Prüfstand“, welches – wie die vorangegangen auch – von ihm aufgrund mangelnden Verlagsinteresses selbst verlegt wurde, beschäftigt sich nun explizit mit den im November 2021 beschlossenen 2G-Regelungen, also dem partiellen Ausschluss ungeimpfter Menschen vom öffentlichen Leben.
Das große Spalten vom Herbst 2021
Alle Landesregierungen Deutschlands hatten die 2G-Maßnahmen beschlossen, um das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren; dabei nahmen sie an, dass von Ungeimpften eine größere Gefahr für Ansteckung ausging als von bereits Geimpften. Begonnen hatte die 2G-Maßnahmen in Hamburg, der Stadt in der Dr. Kampf lebt und arbeitet, mit einer fast schon symbolträchtigen Fehlanalyse: Der Oberbürgermeister und ausgebildete Labormediziner Peter Tschentscher stellte Zahlen bezüglich des Anteils von Ungeimpften an Neuinfektion vor, die sich nur wenig später als völlig falsch entpuppten. Günter Kampf beschreibt das Geschehen in seinem Buch wie folgt: „Am 11. Januar 2022 räumte der Labormediziner Tschentscher ein, dass die Zahlen des Novembers 2021 grob falsch gewesen seien, dass die Datenbasis zu dem Zeitpunkt viel zu dünn gewesen sei und diese niemals zu der dann eben falschen Berechnung hätte herangezogen werden dürfen.“
Kampf zeichnet den Verlauf des Inkrafttretens der Maßnahmen inklusive markanter Aussagen aus Politik und Wissenschaft nach und ermöglicht es dem Leser, sich an die Stimmung zwischen November 2021 und Februar 2022 zu erinnern. Exemplarisch sei hier ein Zitat von Karl Lauterbach vom November 2021 erwähnt: „Das gesamte öffentliche Leben muss auf 2G reduziert sein. Die Kontrollen mit Strafen, unangenehm und teuer, ich weiß, sind das zentrale Mittel. Die Ungeimpften müssen das ertragen, weil, wenn man ehrlich ist, sie auch mit dem Leben der anderen spielen.“
Der fragliche Nutzen von 2G
Der Autor macht sich im ersten Teil des 90-seitigen Buches auf die Spurensuche, ob die angestrebten Ziele – die Covid-19 Fallzahlen senken, die Übertragungen verhindern, die Anzahl schwerer Verläufe reduzieren, den Druck auf Ungeimpfte erhöhen – mittels 2G erreicht wurden. Dabei stützt er sich stets auf wissenschaftliche Studien und Datenerhebungen, die dem Leser die Möglichkeit geben, sowohl die Evidenz der Aussagen von Politik und Politikberatern als auch die Informationsgrundlage der Schlussfolgerungen des Autors nachzuverfolgen. Wer den Gedanken von Günter Kampf folgen möchte, muss ein gehöriges Interesse an Zahlen und wissenschaftlichen Erkenntnissen mitbringen.
Was den Nutzen von 2G hinsichtlich der Verringerung der Fallzahlen betrifft, so kommt Kampf anhand der Statistiken zu folgendem Fazit: „Das ausgegebene Ziel von 2G, die Infektionsdynamik von Covid-19 zu brechen, wurde deutlich verfehlt.“ Außerdem hält er es „sogar für wahrscheinlich, dass 2G die Anzahl von SARS-Cov2-Übertragungen im öffentlichen Raum deutlich erhöht hat“, da geimpfte Menschen, obwohl sie ansteckend sein konnten, sich in vermeintlicher Sicherheit wähnten und ihr Verhalten daher weniger vorsichtig war. Damit wurden bereits zwei der vier Ziele, die 2G erreichen sollte, nicht erfüllt. Bleiben die Fragen, ob es wegen dieser Maßnahmen zu einer Verringerung schwerer Covid-19-Verläufe kam und ob sie es ermöglichten, die Bevölkerung zum Impfen zu bewegen. Was die erhoffte Verringerung schwerer Covid-19 Verläufe betrifft, so führen Kampfs Analysen zum Fazit, dass durch 2G “kein nennenswerter zusätzlicher Schutz für Ungeimpfte zu erkennen“ sei. Zu diesem Schluß kam bereits der Evaluationbericht der Bundesregierung und stellte fest: „Der Grad der Wirkung (Anm. d. Autors: von Zugangsbeschränkungen) bleibt also zumindest zweifelhaft, insbesondere bezüglich einer Verhinderung von Hospitalisierungen.“
Günter Kampfs Beantwortung der zweiten Frage beinhaltet markante Zitate von Mitgliedern des Ethikrates sowie des Oberbürgermeisters von Hamburg, der ganz offen dafür plädierte, den Druck auf die Ungeimpften zu erhöhen. Auch der Evaluationsbericht erinnert daran, dass die Bevölkerung mittels Nudging zur Impfung verführt werden sollte: „Allerdings verfolgten 2G/3G-Regeln nicht nur das Ziel, Neuinfektionen durch Minderung von Nahkontakten mit ungeimpften Personen zu vermeiden, sondern sollten auch für ungeimpfte Personen
einen Anreiz zur Impfung geben (Nudging)“
Ob durch die Maßnahmen sich mehr Menschen haben impfen lassen, bleibt, so Kampf „letztlich ungeklärt“. Persönlich kenne ich bereits Dutzende Menschen, die sich aufgrund der 2G-Regelungen haben impfen lassen.
Offene Fragen
Was der Autor in seinem Buch nicht diskutiert, ist die Frage, ob die Einwilligung zu einer Impfung unter dem Druck von Maßnahmen überhaupt eine freiwillige und damit rechtmäßige Einwilligung darstellt. Auch wäre es meiner Meinung nach interessant gewesen, die generelle Notwendigkeit von Corona-Maßnahmen angesichts der bereits vor der Impfkampagne bestehenden Erkenntnisse über die Infektionssterblichkeitsrate (IFR) von Corona zu diskutieren. Diese zeigen nämlich, dass die Gefährlichkeit von Sars-Cov2 stark überschätzt wurde und schon damals einer starken Grippewelle gleichkam.
Diese offenen Fragen sind sicherlich interessant, jedoch scheinen sie über das Anliegen des Buches hinauszugehen und würden vielleicht dazu führen, dass der Fokus auf 2G verwässert. Günter Kampf widmet sich explizit den von Regierungsseite kommunizierten Gründen und Zielen von 2G und wertet diese anhand von Studien aus.
2G und die Grundrechte
Der zweite Teil des Buches widmet sich der Frage, ob 2G in einer Weise verhältnismäßig, geeignet und erforderlich war, so dass es gerechtfertigt war, bestimmte Grundrechte einzuschränken. Kampf ruft dem Leser in Erinnerung, wie viele Grundrechte vom Staat eingeschränkt wurden, darunter etwa das Recht auf freie Entfaltung (Artikel 2), das Recht der freien Wahl des Arbeitsortes (Artikel 17) oder das Recht auf ungestörte Ausübung einer Religion (Artikel 4).
Zur Frage der Eignung von 2G kommt Kampf – siehe Buchteil I – nach Sichtung nationaler und internationaler Daten zu dem Schluss, dass 2G kein geeignetes Mittel darstellte, um Infektionsdynamiken zu brechen oder exponentielle Anstiege von Infektionen zu verhindern. Das aber waren die vorgegebenen Ziele der Bundesregierung sowie der Leopoldina, der nationalen Akademie der Wissenschaften, welche in einer Adhoc-Stellungname Ende November 2021 postulierte, dass Ungeimpfte in einen Großteil der Neuinfektionen involviert seien (ca. 8 bis 9 von 10 Ansteckungen). Der Autor zeigt auf, dass diese Darstellung „irreführend und manipulativ“ war, weil unerwähnt blieb, dass bei gleichem Maßstab die Geimpften an 49% der Neuinfektionen beteiligt waren. Auch bezüglich der gewollten Entlastung des Gesundheitssystems kann Kampf die Eignung von 2G nicht erkennen; überdies erachtet der Autor generell den Realitätsgehalt eines durch Covid-19 bedrohten Zusammenbruchs der Klinikkapazitäten als unrealistisch, da zur Zeit der Einführung von 2G innerhalb der vulnerablen Bevölkerung bereits eine sehr hohe Impfquote (87% bei den über 60-Jährigen) herrschte. Er schreibt: „Spätestens mit der Dominanz der Omikron-Variante im Januar 2022 und den sinkenden Raten hospitalisierter bzw. intensivmedzinisch versorgter COVID-19 Patienten rückte eine drohende Belastung in noch weitere Ferne.“
Die Frage nach der Erforderlichkeit beantwortet Kampf, indem er den Anteil der Geimpften und Genesenen zum Zeitpunkt von 2G herausarbeitet und mithilfe eines Vergleichs mit Großbritannien und Dänemerk zeigt, dass 2G „nicht erforderlich war, da es ungeeignet war, das Infektionsgeschehen einzudämmen.“ In den genannten Ländern ohne G2 verlief das Geschehen nämlich weitgehend identisch.
Günter Kampf schließt den zweiten Teil seines Buches mit folgendem Fazit ab:
„Da die 2G-Kontaktbeschränkungen ihr Ziel nicht erreicht haben und es mildere Mittel gab, die das erklärte Ziel vermeintlich sogar besser erreicht hätten, war nach meiner Einschätzung die Verhältnismäßigkeit von Anfang an nicht gegeben.“
Kampfs Buch endet mit einem Abschnitt, in dem verschiedene Aussagen zu den 2G-Maßnahmen abgebildet werden, die die hoch angeheizte Stimmung dieser Zeit verdeutlichen – eine Gesellschaft, die anhand ihres Corona-Impfstatus gespalten ist. Neben den Befürwortern der Diskriminierung Ungeimpfter kommen in dem Buchteil auch Kritiker der Maßnahmen zu Wort, die ihre Sorge um Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Ausdruck bringen. Diese Stimmung und die Wirkung auf die Gesellschaft müssen meiner Meinung nach Gegenstand einer dringend notwendigen Aufklärung des Corona-Komplexes sein.
Günter Kampfs neues Buch zu Corona reiht sich ein in seinen Versuch einer kritischen, faktenbasierten und sachlichen Analyse des Pandemiemanagements der letzten drei Jahre. Es wird jeden Leser erfreuen, der gut informiert, aber nicht belehrt werden möchte. Dem Arzt ist es spürbar wichtig, zu verdeutlichen, wie stark die 2G-Maßnahmen die Gesellschaft geprägt haben und wie schwach die faktische Grundlage für eine solch historische Diskriminierung einer großen Bevölkerungsgruppe von immerhin 18 Millionen Menschen war. Es wirkt wie ein fast vergessener Alptraum, dass es möglich war, Millionen von Menschen über Monate vom öffentlichen Leben derart auszugrenzen, ohne dafür eine gesicherte Faktengrundlage zu haben. Dazu zählt auch, dass die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft, darunter Verbände, Kammern, Gerichte und Behörden dabei mitgemacht hat, statt sich gegen Diskriminierung zu stellen. Bis heute wurde die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit dieses Vorgehens von den Verantwortlichen nicht benannt oder öffentlich diskutiert. Eine Entschuldigung oder das Eingestehen eines Fehlverhalten wären, aufgrund der massiven Einschränkungen der Grundrechte, das Mindeste. Angebracht jedoch wäre aus meiner Sicht eine rechtliche Prüfung und Aufarbeitung, die die Verantwortlichen der 2G-Regelungen benennt und zur Verantwortung zieht. Das scheint jedoch aufgrund der immer noch weit verbreiteten und durch Medien und Politik propagierten Halbwahrheiten zu Corona unwahrscheinlich Am Ende des Buches schreibt Prof. Dr. Günter Kampf:
„Immer wieder wird auch von Ethikern als Argument für 2G aufgeführt, dass von Ungeimpften ein höheres Übertragungsrisiko ausgeht und Geimpfte die Gesundheit ihrer Mitmenschen besser schützen. Dieses Argument wurde von Politik, Medien und einzelnen Wissenschaftlern fortwährend öffentlich genutzt und hat offenbar viele Köpfe erreicht. Doch es bleibt im Großen und Ganzen falsch.“
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