von Robert Kogon
Die Vorstellung, dass Impfpflichten und ähnliche Maßnahmen das Ergebnis des Einflusses von „Big Pharma“ auf Regierungen sind, ist ein gemeinsamer Nenner unter den Kritikern solcher Maßnahmen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Impfstoff von Pfizer von einem behördlichen Erfolg zum nächsten eilt und den Markt für Covid-19-Impfstoffe sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Kontinentaleuropa zunehmend dominiert (ganz zu schweigen von Israel, dessen Impfkampagne fast ausschließlich von Pfizer durchgeführt wurde), ist klar, dass mit „Big Pharma“ heute Pfizer und nur Pfizer gemeint sein muss.
Die beiden anderen eigentlichen „Big Pharma“-Alternativen, AstraZeneca in der EU und Johnson & Johnson in der EU und den USA, sind nach negativer Medienberichterstattung über unerwünschte Wirkungen (insbesondere Thrombose) und in einigen Fällen nach regulatorischen Eingriffen seitens nationaler Aufsichtsbehörden außerhalb des Vereinigten Königreichs auf den Status von Nebenfiguren zurückgestuft worden.
Es hat den Anschein, dass wir uns zumindest im Westen auf ein virtuelles Covid-19-Impfstoffmonopol von Pfizer zubewegen. Selbst der Covid-Impfstoff von Moderna – einem Unternehmen, das bekanntlich noch nie ein Medikament auf den Markt gebracht hat und daher kaum als „Big Pharma“ bezeichnet werden kann – gerät zunehmend in die Kritik, weil er bei jungen Männern Herzmuskelentzündungen hervorruft, und seine Anwendung wird in einer ganzen Reihe europäischer Länder auf Personen über 30 Jahre beschränkt.
Pfizer hingegen ist davon verschont geblieben. Und das, obwohl Myokarditis eine weithin berichtete und offiziell anerkannte unerwünschte Wirkung beider mRNA-Impfstoffe, Moderna und Pfizer, ist, obwohl die jüngste statistische Analyse der CDC jedenfalls bei Männern zwischen 18 und 25 Jahren keinen „signifikanten Unterschied“ bei den gemeldeten Myokarditisfällen zwischen den beiden Impfstoffen feststellte und obwohl es Beweise dafür gibt, dass Moderna einen länger anhaltenden Schutz bietet (die Wirksamkeit des Impfstoffs ist nach sechs Monaten sogar doppelt so hoch wie die von Pfizer, wie diese aktuelle Studie [S. 11] zeigt).
Welchen größeren Beweis für die übermäßige Macht von „Big Pharma“ – d.h. Pfizer – könnte es geben? Aber wenn Pfizer nicht vor zwei Jahren die Welt beherrschte, wie kam es dann, dass es heute die Welt beherrscht?
Und wie viele Amerikaner erst erfahren haben, als die FDA die volle Zulassung des „Pfizer“-Impfstoffs nicht an Pfizer, sondern an die BioNTech Manufacturing GmbH in Mainz, Deutschland, erteilte, ist der eigentliche Entwickler des so genannten „Pfizer“-Impfstoffs eben der deutsche Partner von Pfizer, BioNTech.
Das geht schon aus dem Codenamen des Impfstoffs hervor: BNT162b2. BNT“ steht natürlich nicht für Pfizer. Auch der Partnerschaftsvertrag zwischen den beiden Unternehmen macht deutlich, dass BNT162b2 der Impfstoff von BioNTech ist. So erhält BioNTech, abgesehen von seinen eigenen direkten Einnahmen aus dem Verkauf des Impfstoffs, von Pfizer „bis zu zweistellige gestaffelte Lizenzgebühren“ für den Verkauf des Impfstoffs in den von Pfizer zugewiesenen Gebieten.
Zusätzlich erhält BioNTech 120 Mio. USD an Vorab-, Eigenkapital- und kurzfristigen Forschungszahlungen sowie bis zu 305 Mio. USD an potenziellen Entwicklungs-, Zulassungs- und kommerziellen Meilensteinzahlungen“. (Siehe BioNTech-Pressemitteilung hier.) BioNTech hat übrigens eine ähnliche Vereinbarung mit Fosun Pharma für die Vermarktung seines Impfstoffs in China.
Vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie war BioNTech noch weit davon entfernt, ein „Big Pharma“ zu sein, denn es handelte sich in der Tat um ein kleines, angeschlagenes Start-up-Unternehmen, das, wie Moderna, noch kein Produkt auf den Markt gebracht hatte. Im Jahresbericht 2019, den BioNTech bei der SEC einreichte, wird das Unternehmen wie folgt beschrieben: „Wir sind ein biopharmazeutisches Unternehmen in der klinischen Phase und haben keine für den kommerziellen Verkauf zugelassenen pharmazeutischen Produkte.“
Weiter heißt es in dem Bericht: „Wir haben seit unserer Gründung erhebliche Verluste erlitten und wir gehen davon aus, dass wir in absehbarer Zeit weiterhin erhebliche Verluste erleiden werden….“. So hatte BioNTech im 2. Quartal 2020 nur 41,8 Millionen Euro an (produktunabhängigen) Einnahmen und mehr als doppelt so hohe Verluste (88,3 Millionen Euro). Ein Jahr später, im 2. Quartal 2021, war der Umsatz dank des Impfstoffs Covid-19 auf 5,31 Milliarden Euro gestiegen – eine Steigerung um mehr als das Hundertfache! – wovon mehr als drei Viertel (4 Milliarden Euro) Gewinn sind.
Wie der Wirtschaftswissenschaftler Carsten Brzeski von der niederländischen Bank ING es gegenüber Reuters ausdrückte, ist BioNTech „in nur einem Jahr von 0 auf 100 gestiegen“. Die kürzlich bekannt gegebenen Ergebnisse von BioNTech für das dritte Quartal weisen geschätzte Einnahmen von über 6 Milliarden Euro und Bruttogewinne von fast 4,7 Milliarden Euro aus.
Die Geschichte, wie BioNTech von Null zum Helden wurde, ist eine reine Geschichte von staatlichem Interventionismus und Subventionen. In der Tat hat die deutsche Regierung die Gründung von BioNTech unterstützt. So war es tatsächlich die Bundesregierung, die die Biotechnologie als wichtige, potenzielle Wachstumsbranche identifizierte und 2005 ein Förderprogramm auflegte, dessen explizites Ziel es war, Biotech-Gründungen aus der akademischen Forschung heraus zu fördern: die Gründungsoffensive Biotechnologie – kurz „Go-Bio“.
Die Idee ist, wie hier erklärt, bis zu zwei Förderrunden zu gewähren: eine erste Förderung für ein Forschungsteam mit einem kommerziell vielversprechenden Projekt und dann, falls es dem Forschungsteam gelingt, ein Unternehmen auf der Grundlage seiner Forschung zu gründen, eine zweite Förderung für das Start-up.
BioNTech war eine der Firmen, die im Rahmen des Go-Bio-Programms ins Leben gerufen wurden. Im Jahr 2007 unterstützte Go-Bio zunächst die Forschung des BioNTech-Gründers Ugur Sahin an der Universität Mainz zur Entwicklung von mRNA-basierten Krebstherapien mit einer „Phase I“-Förderung in Höhe von 1,2 Millionen Euro, 2010 folgte eine „Go-Bio Phase II“-Förderung in Höhe von fast 3 Millionen Euro für die neu gegründete BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH. (Die Einzelheiten finden Sie hier.)
Auch in den folgenden Jahren wurde BioNTech von der öffentlichen Hand unterstützt: sowohl von der rheinland-pfälzischen Landesregierung als auch als federführendes Mitglied eines sogenannten Clusters“ von Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der Region Mainz, das von 2012 bis 2017 mit 40 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Der Cluster trägt den Namen „Cluster for Individualized Immune Intervention“ oder „Ci3“. Vorsitzende von Ci3 sind Sahins Ehefrau und BioNTech Chief Medical Officer, Özlem Türeci, und BioNTech-Mitbegründer Christoph Huber.
Der Zustrom von öffentlichem Manna (1) zu BioNTech verstärkte sich jedoch im letzten Jahr massiv, als der Ausbruch der Covid-Pandemie dem Unternehmen die Gelegenheit bot, sich von seinen bis dahin erfolglosen Bemühungen um die Entwicklung von mRNA-basierten Krebstherapien auf die Entwicklung eines mRNA-basierten Impfstoffs gegen Covid-19 zu konzentrieren.
Laut dieser vom SWR veröffentlichten Zeitleiste (BB: Link nur noch im Archiv zu finden, nicht mehr bei SWR) hatte sich BioNTech bereits im Februar 2020 mit der deutschen Zulassungsbehörde für Impfstoffe, dem Paul-Ehrlich-Institut, in Verbindung gesetzt, um einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln – zu einem Zeitpunkt, als in Europa erstmals vereinzelte Berichte über lokale Covid-19-Infektionen auftauchten und bevor die WHO überhaupt eine Pandemie ausrief!
Im April waren die klinischen Versuche bereits angelaufen! (Siehe das EU-Register für klinische Studien hier.) Am 15. September gab die deutsche Regierung bekannt, dass sie BioNTech 375 Millionen Euro an Subventionen für den Covid-19-Impfstoff zur Verfügung stellt. Die Europäische Investitionsbank hatte sich bereits mit 100 Millionen Euro an der Fremdfinanzierung beteiligt. Die deutsche Finanzierung muss nicht zurückgezahlt werden.
Bei einem durchschnittlichen Körperschaftssteuersatz von rund 30 % in Deutschland und einem effektiven Steuersatz von fast 16 % rechnet die deutsche Regierung mit einer guten Rendite für ihre Investition. Nach den aktuellen Prognosen des Unternehmens wird BioNTech im Jahr 2021 voraussichtlich 16-17 Milliarden Euro mit Covid-19-Impfstoffen umsetzen.
Bereits nach der Bekanntgabe der Ergebnisse von BioNTech für das zweite Quartal berechnete der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien, dass die Einnahmen von BioNTech allein etwa 0,5 % des deutschen BIP ausmachen und somit für ein Wachstum des deutschen BIP von 0,5 % sorgen werden – da BioNTech zuvor praktisch nichts zum deutschen BIP beigetragen hat! BioNTech allein würde also etwa 1/8 des für 2021 erwarteten BIP-Wachstums in Deutschland ausmachen.
Diese Berechnungen basierten allerdings auf einer etwas niedrigeren Umsatzprognose und einem deutlich höheren erwarteten BIP-Wachstum. Auf der Grundlage der aktuellen Prognose von 2,4 % des deutschen Wachstums würde BioNTech allein mehr als 1/5 des deutschen Wachstums ausmachen. Nach den zuletzt veröffentlichten Geschäftszahlen beläuft sich die Steuerrechnung des Unternehmens für 2021 auf über 3 Milliarden Euro.
Bei allem Gerede über die Macht von Big Pharma hat der Covid-19-Impfstoff, der derzeit in der gesamten westlichen Welt zum Standard wird, einen weitaus mächtigeren staatlichen Sponsor, und dieser staatliche Sponsor ist Deutschland. Dies wirft besonders offensichtliche und heikle Fragen für die Europäische Union auf, wo die Impfstoffverträge für alle 27 Mitgliedsstaaten von einer Europäischen Kommission ausgehandelt wurden, die von der ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geleitet wird.
(Die Kommission wurde von einem „Gemeinsamen Verhandlungsteam“ unterstützt, in dem sieben Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, vertreten waren [siehe unter „Impfstoffverhandlungen“ hier]; das heißt, dass Deutschland faktisch an den Verhandlungen mit seinem eigenen Schützling beteiligt war. Es überrascht vielleicht nicht, dass die größte Menge an Dosen bei niemand anderem als BioNTech/Pfizer bestellt wurde [siehe unter „Was waren die Ergebnisse…“ hier].
Da Deutschland aber gerade über die Europäische Union seine Macht verstärken und auf globaler Ebene ausüben kann, wirft das deutsche Sponsoring des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer“ auch Fragen für die ganze Welt auf.
Autor
Robert Kogon ist ein Pseudonym für einen weit verbreiteten Finanzjournalisten, einen Übersetzer und einen in Europa tätigen Forscher. Er schreibt unter edv1694.substack.com.
Dieser Artikel erschien im Original beim Brownstone Institut: https://brownstone.org/articles/the-pfizer-biontech-vaccine-monopoly-the-backstory/
(1)“Als Manna, Himmelstau oder auch Himmelsbrot wird in der Bibel (2 Mos 16 EU) die Speise bezeichnet, die den Israeliten auf ihrer 40-jährigen Wanderschaft durch die Wüste als Nahrung gedient haben soll. Später wurde Manna unter anderem eine Bezeichnung für den (mannitolhaltigen) Saft der Manna-Esche und anderer Eschen“ (Wikipedia)
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