„Schwanger sein – das ist einzigartig. Alles ändert sich. Grundlegend. Der ganze Körper der Frau ist betroffen: Jede einzelne Zelle geht in einen anderen Stoffwechsel. Hormone, Job, Wohnung, Partnerschaft – eine Schwangerschaft versetzt alle Lebensbereiche in Turbulenzen.“
So beschreibt die Hebamme Cordula Brockmann die Vielschichtigkeit der Veränderungen, die mit einer Geburt einhergehen können. Seit 40 Jahren begleitet sie diesen uralten, tiefgreifenden Prozess. 30 Jahre davon begleitet sie die Geburt an dem Ort, wo in Deutschland nur knapp über 1% der Kinder auf die Welt kommen: Zuhause. Ihre Lernreise in die traditionelle Hebammenkunst begann mit einer Ausbildung und ersten Berufserfahrungen in der klinischen Geburtshilfe. Dort erlebte Sie Dinge, die sie daran zweifeln lassen, ob die Klinik und die dort vorhandenen Strukturen immer geeignet für einen natürlichen Vorgang wie die Geburt sind und ob die Gebärende dort ausreichend Autonomie und Respekt erfährt. Ihr selber war und ist das eigenständige Arbeiten als Hebamme mit größtmöglicher Autonomie sehr wichtig, weshalb ihr Weg sie nach der Klinik zur Gründung zweier Geburtshäuser und schlussendlich in die Hausgeburtshilfe führt.
In unserem Gespräch erzählt Cordula Brockmann aus ihrem großen Erfahrungsschatz und gibt dem Zuschauer die Möglichkeit Geburtshilfe durch die Augen einer Hebamme zu sehen, der eine natürliche Geburt und die höchstmögliche Gesundheit für Kind und Mutter sehr am Herzen liegen.
Oftmals wird die Klinik als der sicherste Ort für eine Geburt dargestellt und vermittelt durch das Vorhandensein von Geräten und Ärzteschaft ein Gefühl der Sicherheit. Codula Brockmann, die in ihrer Ausbildung auch dahin geschult wurde mit wenig medizinischen Geräten aus zukommen, erläutert, dass der Großteil der Gebärenden in Deutschland gesund ist und daher kein allgemeines Risiko bei einer Geburt besteht. Trotzdem sind bei 93% der Geburten medizinische Interventionen Teil der Geburtsbegleitung. Die Kernkompetenz der Hebamme liegt darin den Geburtsprozess aufmerksam zu beobachten, um abzuschätzen, ob Geburt und Schwangerschaft gesund verlaufen und ab wann etwas schief läuft. Welcher Geburtsort sich für die Gebärende am sichersten anfühlt, entscheidet dabei immer die Frau, so Brockmann.
Während der Geburt befindet sich die Frau in einem sehr offenen Zustand, da die Geburt hauptsächlich ein instinktiver und von Hormonen gesteuerter Prozess ist, denn Denken hilft bei der Geburt nicht viel, so Brockmann. Somit ist die Frau unter der Geburt verletzlich und sensibel, was dazu führen kann, dass Respektlosigkeit oder Übergriffigkeiten als Gewalt wahrgenommen werden können, aber auch, dass ein respektvoller und stärkender Umgang die Frau sich als kompetentes und starkes Wesen erleben lässt. Dieses Selbstbewusstsein trägt sich dann ins weitere Erleben der Frau und ihrer Rolle als Mutter in unserer Gesellschaft.
Der Blick auf das Wohlbefinden der Frau sollte laut Cordula Brockmann, wieder mehr in den Fokus der Geburtshilfe geraten, denn „When mom is not happy, nobody is happy.“ Eine sozial eingebundene, zufriedene und sich sicher fühlende Frau, die Fülle erlebt, wirkt wie ein übersprudelnder Brunnen, dessen Fülle bei ihrem eigenen Kind landet. Fast immer wenn es der Mutter in Geburt und Schwangerschaft nicht gut geht, geht es auch dem Kind nicht gut. Umgedreht jedoch ist eine zufriedene und gesunde Mutter ein Garant für ein gesundes Baby.
Spätestens hier wird klar, dass Geburt ein Politikum ist und Frauen und Gebärende ein unterstützendes Feld um sie herum brauchen, um diese Zufriedenheit zu kultivieren.
Cordula Brockmannś Forderungen für eine bessere Geburtshilfe sind eine garantierte 1:1 Betreuung für alle Gebärenden, egal wo sie gebären und eine respektvolle Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hebammen auf Augenhöhe.
Ihre Schlussworte machen deutlich, dass sie eine Rückbesinnung zur Natur als bedeutsam erachtet, da Natur „das Geborene“ ist und es wichtig ist wieder zu unserer eigenen Natur zurück zu finden. Video auf Odysee anschauen: https://odysee.com/@bastianbarucker:c/brockmann-geburt-hebamme:d
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