Abbildung: Impfraten und Anteil der vollständig geimpften Personen an den symptomatischen COVID-19-Fällen (≥ 60 Jahre) in Deutschland zwischen 21. Juli und 27. Oktober 2021 basierend auf den Wochenberichten des Robert Koch-Instituts

Anmerkung Bastian Barucker: Die wissenschaftliche Arbeit vom Professor für Umweltmedizin und Hygiene Günter Kampf wurde auf diesem Blog regelmäßig veröffentlicht. Er hat zwei sehr gute Bücher zum Thema Covid-19 geschrieben und ein Interview mit mir geführt. Sein Artikel “Das ist keine Pandemie der Ungeimpften” wurde ebenfalls von mir übersetzt und veröffentlicht. Am 19. November erschien im sehr renommierten Wissenschaftsjournal The Lancet ein Brief von ihm, der sich wieder mit der epidemiologischen Bedeutung der geimpften und ungeimpften Bevölkerung beschäftigt.


Es wurde erwartet, dass hohe COVID-19-Impfraten die Übertragung von SARS-CoV-2 in der Bevölkerung verringern würden, indem sie die Zahl der möglichen Übertragungsquellen reduzieren und damit die Belastung durch COVID-19-Erkrankungen verringern würden. Jüngste Daten deuten jedoch darauf hin, dass die epidemiologische Bedeutung von COVID-19-geimpften Personen zunimmt. Im Vereinigten Königreich wurde beschrieben, dass die Rate der Sekundärinfektionen bei Haushaltskontakten mit vollständig geimpften Indexfällen ähnlich hoch war wie bei Haushaltskontakten mit ungeimpften Indexfällen (25 % bei Geimpften gegenüber 23 % bei Ungeimpften).

12 von 31 Infektionen bei vollständig geimpften Haushaltskontakten (39 %) gingen auf vollständig geimpfte, epidemiologisch verbundene Indexfälle zurück. Die Spitzenviruslast unterschied sich nicht nach Impfstatus oder Variantenart [[1]]. In Deutschland wird die Rate der symptomatischen COVID-19-Fälle unter den Vollgeimpften (“Durchbruchsinfektionen”) wöchentlich seit 21. Juli 2021 gemeldet und lag zu diesem Zeitpunkt bei 16,9 % der Patienten ab 60 Jahren [[2]].

Dieser Anteil steigt von Woche zu Woche und lag am 27. Oktober 2021 bei 58,9% (Abbildung 1), was ein klarer Beleg für die zunehmende Bedeutung der vollständig geimpften Personen als mögliche Übertragungsquelle ist.

Eine ähnliche Situation wurde für das Vereinigte Königreich beschrieben. Zwischen der 39. und 42. Woche wurden insgesamt 100.160 COVID-19-Fälle bei Bürgern im Alter von 60 Jahren oder älter gemeldet. 89.821 davon traten bei den vollständig Geimpften (89,7 %) auf, 3.395 bei den Ungeimpften (3,4 %) [[3]].

Eine Woche zuvor war die COVID-19-Fallrate pro 100.000 in der Untergruppe der Geimpften höher als in der Untergruppe der Ungeimpften in allen Altersgruppen ab 30 Jahren. In Israel wurde ein nosokomialer Ausbruch gemeldet, an dem 16 Beschäftigte im Gesundheitswesen, 23 exponierte Patienten und zwei Familienmitglieder beteiligt waren. Die Quelle war ein vollständig geimpfter COVID-19-Patient. Die Durchimpfungsrate betrug 96,2 % bei allen exponierten Personen (151 Beschäftigte im Gesundheitswesen und 97 Patienten). Vierzehn vollständig geimpfte Patienten erkrankten schwer oder starben, die beiden ungeimpften Patienten entwickelten eine leichte Erkrankung [[4]].

Die US-amerikanischen Zentrum für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) bezeichnen vier der fünf Bezirke mit dem höchsten Prozentsatz an vollständig geimpfter Bevölkerung (99,9-84,3 %) als Bezirke mit hoher” Übertragung [[5]].

Viele Entscheidungsträger gehen davon aus, dass die Geimpften als Übertragungsquelle ausgeschlossen werden können. Es erscheint grob fahrlässig, die geimpfte Bevölkerung als mögliche und relevante Übertragungsquelle zu ignorieren, wenn über Maßnahmen zur Kontrolle der öffentlichen Gesundheit entschieden wird.

Artikel erschienen am 19. November im The Lancet: https://www.thelancet.com/journals/lanepe/article/PIIS2666-7762(21)00258-1/fulltext?s=08#%20

Quellen

  1. [1].
    • Singanayagam A 
    • Hakki S 
    • Dunning J 
    • et al.
    Community transmission and viral load kinetics of the SARS-CoV-2 delta (B.1.617.2) variant in vaccinated and unvaccinated individuals in the UK: a prospective, longitudinal, cohort study.Lancet Infect Dis. 2021;https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00648-4View in Article
  2. [2].Robert Koch-Institut. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND 22. Juli 2021. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-07-22.pdf?__blob=publicationFile (accessed 28. September 2021).View in Article
  3. [3].UK Health Security Agency. COVID-19 vaccine surveillance report. Week 4328. Oktober 2021. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1029606/Vaccine-surveillance-report-week-43.pdf (accessed 1. November 2021).View in Article
  4. [4].
    • Shitrit P 
    • Zuckerman NS 
    • Mor O 
    • Gottesman BS 
    • Chowers M.
    Nosocomial outbreak caused by the SARS-CoV-2 Delta variant in a highly vaccinated population, Israel, July 2021.Euro Surveill. 2021; 262100822https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2021.26.39.2100822View in Article
  5. [5].
    • Subramanian SV 
    • Kumar A.
    Increases in COVID-19 are unrelated to levels of vaccination across 68 countries and 2947 counties in the United States.Eur J Epidemiol. 2021;https://doi.org/10.1007/s10654-021-00808-7
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