Im Sommer 2021 erhielt ich die Unterlagen für diesen bewegenden Vorfall. Ich übergab meine Recherchen einer größeren Zeitung in der Hoffnung, dass die Geschichte dadurch Aufmerksamkeit bekommt. Leider hat die Zeitung keinen Artikel dazu veröffentlicht, so dass ich dies nun stark verzögert tue.


Ein 61-jähriger Patient mit einem starken Lungenschaden (Lungenemphyse), bei dem die Lungenbläschen unwiderruflich erweitert oder zerstört sind, ist Transplantationspatient beim deutschen Herzzentrum in Berlin. Er ist seit ungefähr 5 Jahren bei Eurotransplent gelistet und wartet auf eine neue Lunge. Seine Lungenleistung lag im Sommer 2021 bei 18% und seine Frau schätzte seinen Gesundheitszustand als sehr bedenklich ein. Die Atmung des Patienten wird ganztägig maschinell unterstützt. Am 20. Juli 2021 war er zum vierteljährigen Routinecheck. Da er sich bis zu diesem Tag nicht gegen Covid-19 hat impfen lassen, wurde ihm mitgeteilt, dass er ohne diese Impfung von der Liste genommen wird, bzw. schon genommen wurde. Es existiert ein Schriftstück dazu, in welchem das auch bestätigt ist mit dem Vermerk NT (nicht transplantierbar). Der Stempel des Schriftstücks trägt die Signatur “Deutsches Herzzentrum Berlin – Transplantationsambulanz – Prof. Dr. med Volkmar Falk.” Falk ist Direktor der Klinik für kardiovaskuläre Chirurgie an der Charitè. Die Oberärztin im Bereich Lungentransplantation beim deutschen Herzzentrum ist Dr. med. Dagmar Kemper. Sie ist handschriftlich auf dem mir vorliegenden Schriftstück ebenfalls vermerkt und wird später bei einem Telefonat von einer Mitarbeiterin des deutschen Herzzentrums erwähnt.

Am 23. Juli 2021 rief die Frau des Patienten bei der Thoraxambulanz in Berlin an, um die Verwehrung auf einen Transplationsplatz kritisch zu hinterfragen. In diesem Telefonat, welches mir im Original vorliegt, wird der Frau mehrmals bestätigt, dass ihr Mann nur mit Covid-19 Impfung auf die Transplantationsliste kommt. Begründet wird dieses Vorgehen mit der Aussage, dass der “Patient eine Covid-Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde.” Die Frau erwidert, dass sie die Impfung als ähnlich riskant einschätzt. Die Mitarbeiterin des DHZB antwortet ihr darauf, dass es vom Transplantationszentrum ein klares Statement gibt. Dieses besagt, dass “Patienten nur transplantiert werden, wenn sie Covid geimpft sind.” Die Frau spricht die starken Vorerkrankungen ihres Mannes an und bezweifelt in dem Zusammenhang die Verhältnismäßigkeit der Impfung. Die Mitarbeiterin antwortet, dass das der Chef der Klinik, Dr. Volkmar Fank, in Zusammenarbeit mit Dr. Kemper festgelegt hat. Der Frau wird empfohlen eine Mail an den Chef der Klinik zu schreiben, um ihr Anliegen dar zu legen.

Auf Presseanfrage vom 29.10.2021 antwortet das DHZB, dass der Impfstatus keinen Einfluss auf den Listenplatz eines Patienten hat, der auf eine Transplantation wartet. Weiter heißt es:

“Eine „hausinterne Politik“ gibt es nicht. Die Entscheidung über die Listung einer Patientin bzw. eines Patienten zur Lungentransplantation trifft entsprechend gesetzlicher Vorgaben ein fünfköpfiges, fachübergreifend besetztes Gremium. Dessen Mitglieder müssen dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Parameter berücksichtigen, basierend auf medizinischen Leitlinien und/oder Empfehlungen. Dazu gehören auch die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission hinsichtlich des Impfstatus der Patient*innen.”

Die direkten Presseanfragen an Dr. Kemper und Dr. Falk sind bis heute unbeantwortet geblieben. Die Antwort in der Mail auf meine Presseanfrage stehen im klaren Gegensatz zum Mitschnitt des Telefonats und den vorliegenden Patientendokumenten. Auf diesen Hinweis hin angesprochen, blieb eine Reaktion seitens des deutschen Herzzentrums in Berlin aus. Der Patient hat bis heute keine neue Lunge erhalten. Seine Frau beschreibt seinen aktuellen Zustand wie folgt:

“Der Zustand meines Mannes hat sich dahingehend verschlechtert, dass er mittlerweile gar nicht mehr die Wohnung verlassen kann, auch nicht zu ambulanten Untersuchungen. Eine stationäre Aufnahme im Dezember 2021 wurde abgebrochen. Begründet wurde das mit (angeblich) unzureichenden Absprachen und das der Kampf gegen Corona jetzt absolute Priorität habe. Anfang Februar meldete sich das Herzzentrum Berlin direkt mit der Inaussichtstellung einer stationären Aufnahme. Dabei blieb es bis jetzt.”

Print Friendly, PDF & Email
(Visited 12.534 times, 14 visits today)