Vielerorts wird in Deutschland gerade über die Schließung von Kreißsälen und Geburtshäusern berichtet und immer mehr freiberufliche Hebammen, die Hausgeburten begleiten,  können aufgrund steigender Haftpflichtprämien nur noch schwer ihren Lebensunterhalt verdienen. Dieser Trend hält schon lange an und immer wieder ist es verwunderlich, wie wenige Menschen Interesse dafür zeigen. Es scheint für viele fast unbedeutend zu sein, wie wir auf diese Welt kommen. Jedoch ist das Gegenteil der Fall.

„Wir können die Welt nicht verändern, ohne die Art und Weise zu ändern, wie Kinder geboren werden.“

Dr. Michel Odent

Die Selbstfindung beginnt in der Wildnis

Ich kam gerade zurück aus mehrmonatigen Aufenthalten in der nordamerikanischen Wildnis, in denen ich mit einer Gruppe von Menschen im Wald lebte und im Zuge eines Programms lernte, als Gruppe im Wald gut zurecht zu kommen. Dazu zählte auch eine aufrichtige und spontane Kommunikation und das Anschauen der Beziehungsdynamiken untereinander. In diesen elf Monaten hatte ich bereits einen guten Einblick in meine Gefühls- und Verhaltensmuster bekommen und gelernt, dass es wie einprogrammierte Abfolgen von Reaktionen auf bestimmte Situationen gab. Zum Beispiel war es so, dass es eine Frau in meinem Clan gab, die älter war als ich und auf die ich immer wieder heftig reagierte, wenn sie etwas von mir wollte. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt und hatte Angst vor ihr. Ich ahnte hier schon, dass das Spuren aus meiner Kindheit waren.  Außerdem lernte ich, dass ein friedvolles Zusammenleben der schwierigste und wichtigste Survival-Skill überhaupt ist.

Die in der Wildnis gemachten Erfahrungen hatten mich innerlich sehr aufgewühlt und ich spürte den Wunsch, meine Beziehungen nicht hauptsächlich von diesen automatisierten Abfolgen bestimmen zu lassen. Was mir noch verborgen war, waren die prägenden Erfahrungen meines Lebens, die diese Verhaltensweisen notwendig gemacht haben.

Also begab ich mich mithilfe der Gefühls- und Körperarbeit auf eine langjährige und sehr intensive innere Spurensuche. In den zurückliegenden Jahren widmete ich mich voll und ganz dieser Forschungsarbeit und begann nach viel Selbsterfahrung und der abgeschlossenen Ausbildung auch Menschen in dieser Arbeit zu begleiten. Dabei wurden Zusammenhänge und sich wiederholende Verbindungen klar, die meine Sicht auf das Menschwerden und die Wichtigkeit frühkindlicher Erfahrungen stark veränderten.

Ein Beispiel für Körperarbeit 

„Gefühls- und Körperarbeit ermöglicht über den emotionalen Ausdruck der angerührten Gefühle, Rückverbindung zu primären Prägungen zu finden und sie zu integrieren. Dadurch wandeln sich die alten Muster zu einem achtsamen Umgang mit sich selbst und tragen wesentlich zu erfüllenden Partnerschaften bei.“

Willi Maurer

Ein sehr eindringliches Erlebnis dieser Forschungsarbeit möchte ich als Beispiel schildern, um verständlich zu machen, wie aktuelle Körpersymptome und Befindlichkeiten mit vergangenen Erfahrungen zusammenhängen können. Vor einigen Jahren bemerkte ich an meiner rechten Wade eine Krampfader und ich fing an, diese zu beobachten. Es erschien mir verwunderlich, da ich viel Sport trieb, mich relativ gut ernährte und keinen Grund für eine Verkrampfung sah. Also fragte ich mich, warum ich es nicht fließen lassen kann und stattdessen verkrampfe. In einer begleiteten Arbeit führte mich diese Krampfader in eine Embryostellung mit dem Impuls, gegen zu halten. Dafür nutze ich das rechte Bein und musste es permanent anstrengen und strecken. Eingeladen hinzuspüren, wo das ist und was dort geschieht, spürte ich im Prozess, dass es die Geburt ist und ich mich dagegen wehrte und verkrampfte und es nicht fließen lassen konnte. Warum war es mir nicht möglich?

Meine Geburt

Mittlerweile ist gut bekannt, dass das Kind das Startsignal für die Geburt gibt und es sozusagen das Geburtsgeschehen einleitet.

In meinem Fall kam dieser Impuls nicht nur von mir als Ungeborenes, sondern wurde durch eine sich beengt anfühlende Atmosphäre von außen mitbestimmt. Ich wollte lieber da raus, als in der Angespanntheit zu verweilen.  Des Weiteren gab es keine Kommunikation zwischen mir und meiner Mutter. Diese wäre für mich aber von außerordentlicher Wichtigkeit gewesen, um überhaupt zu verstehen, was jetzt passiert und was ich tun soll. So wurde ich unvorbereitet gedrängt und wehrte mich aufgrund von Überforderung und Desorientierung mittels meines rechten Beins dagegen. Natürlicherweise ist die Geburt eine Arbeit, die das Kind in Kommunikation und gemeinsam mit der Mutter leistet.

Meine Geburt verlief anders, da meine eigene Mutter den Ärzten und Hebammen mehr vertraute als ihrer eigenen Empfindung und sich nicht die Zeit nahm, mit mir in Verbindung zu treten. In der DDR auch völlig unüblich wäre es wahrscheinlich unmöglich gewesen, dem Klinikpersonal Einhalt zu bieten. Dieses wiederum handelte natürlich im besten Wissen und Gewissen, ahnungslos dem Erleben des Kindes gegenüber. 

Die Wirkungen des Geburtsprozess und vorgeburtlichen Erfahrungen

In der Gefühls- und Körperarbeit erlebte ich meinen gestörten Geburtsprozess mit entsprechenden körperlichen Empfindungen und Gefühlen ein zweites Mal. So konnte nicht nur auf kognitiver Ebene, sondern körperlich erfahren, wann diese Verspannung ihren Ursprung hatte. Ich hatte dann in der begleiteten Arbeit noch die Möglichkeit zu erleben, wie es gewesen wäre, wenn es eine Kommunikation zwischen mir und meiner Mutter gegeben hätte und ich aufgrund ihrer Verbundenheit zu mir das Wissen gehabt hätte, was nun geschehen soll.

Durch diese Verbindung zu ihr war es möglich, eine fließende und gemeinsame Geburtsarbeit zu leisten und nicht verkrampft dagegen zu halten. So konnte sich ein Stück des „Zellgedächtnisses“ mit einer neuen Erfahrung füllen und die prägende Erfahrung des Verkrampfens integrieren. Seitdem bin ich mit meiner Krampfader gut in Verbindung und nehme sie als Anzeiger dafür, ob ich mich verkrampfe oder es fließen lasse und was ich im Alltag bräuchte, damit es leicht gehen kann.

Welche Rolle spielt das Zellgedächtnis?

Neben dieser persönlichen Erfahrung habe ich in den letzten acht Jahren sehr viele ähnliche Erfahrungen und Zusammenhänge bei vielen Menschen beobachtet und begleitet. Dabei habe ich erkennen dürfen, wie sehr frühkindliche Erfahrungen vor, während und nach der Geburt unser Wesen prägen. Das oben genannte Zellgedächtnis spielt dabei eine große Rolle.

Das erste Zuhause des Kindes

Von der Empfängnis an sind wir fühlende und auf die Umwelt reagierende Wesen und nehmen alles wahr, was dort geschieht. Die Stimmung von Mutter und Vater (der Hormonhaushalt der Mutter) wirkt auf den Hormonhaushalt des Kindes und das Kind stellt sich darauf ein, in diesem Milieu zu leben. Eine angstbesetzte oder von Mangel dominierte Umgebung lässt das Kind sich daran anpassen in Erwartung, dass so das ganze Leben sein wird. So kommt es, dass Verhaltensweisen und Lebenseinstellungen früh geformt werden und dann das ganze Leben beeinflussen.

Unsere Zellen erinnern sich also an Umwelteinflüsse und die Folgen des eigenen Lebensstils. Erfahrungen der Vorfahren sind in ihnen ebenso gespeichert wie Erlebnisse aus der Zeit um die Geburt und weitere Gegebenheiten aus dem bisherigen Leben.” 

Dr. Peter Spork, Biologe und Wissenschaftsjournalist

“Wir haben eine Kaiserschnittrate von über 30 Prozent”

Kaiserschnitt

Neben dem Einfluss auf die Verhaltensweise gibt es eine wachsende Anzahl an Veröffentlichungen dazu, wie sehr Geburt und vorgeburtliche Erfahrung unsere Gesundheit beeinflussen. Zusammenhänge zwischen Geburtserleben und Krankheiten wie Allergien, Asthma, Autismus, Immunsystemschwäche und Stress sind immer mehr zu finden und wahrscheinlich ist noch nicht mal ansatzweise klar, wie sehr der Eingriff in die natürliche Geburt die Gesundheit unserer Gesellschaft beeinträchtigt. Damit ist nicht gemeint, dass notwendige medizinische Unterstützung bei der Geburt nicht ein Segen ist. Das ist sie und sollte bei Bedarf auf jeden Fall genutzt werden. Besonders im Bereich der Epigenetik gibt es zurzeit eine Welle von Veröffentlichungen, die aufzeigt, dass Erfahrungen rund um die Geburt, auch perinatale Prägung genannt, einen signifikanten Einfluss auf unsere Gesundheit haben können. Dazu zählt auch der Verlauf der Geburt. 

Zurzeit sind in Deutschland jedoch nur sieben Prozent der Geburten interventionsfrei. Wir haben eine Kaiserschnittrate von über 30 Prozent wobei die Rate allein in Deutschland regionalen Schwankungen von 300 Prozent unterliegt.

Prof. Dr. Rockenschaub,  ein ehemaliger Leiter einer Geburtsstation in Wien hat dazu folgendes zu sagen: „Zur Zeit bringen in der BRD und Österreich nicht viel mehr als 5% der Frauen Kinder ohne eine der obskuren geburtsmedizinischen Prozeduren zur Welt, obwohl bei den gegebenen Verhältnissen zumindest 95% spontan und autonom gebären könnten und in höchstens 5% geburtsmedizinische Maßnahmen vonnöten wären. Was 90% der Frauen als medizinische Erleichterung vorgegaukelt wird, ist nicht nur überflüssig, sondern auch als prekär und schädlich zu erachten.“

Prof. Dr. Rockenschaub

Prof. Dr. Rockenschaub leitete die Ignaz Semmelweis Frauenklinik von 1965 bis 1985. Die Kaiserschnittrate war in dieser Zeit wenig höher als 1 Prozent. Neben den oben bereits beschriebenen rein gesundheitlichen, physiologischen Konsequenzen einer so interventionsreichen Geburtshilfe wird in der Gefühls- und Körperarbeit erkennbar, dass die Konsequenzen noch weitere Tragweite haben.

Das Imprinting nach der Geburt ist wichtig.

Beispielhaft hierfür soll die Trennung von Mutter und Kind nach der Geburt dienen. Kurz nach der Geburt öffnet sich ein Zeitfenster, in dem das Kind eigentlich die Erwartung hat, dass die starke Verbundenheit, Geborgenheit und der Schutz, den es im Mutterleib erlebte, nun gemeinsam mit Mutter und Vater weiter besteht. Als Imprinting beschreibt Willi Maurer den ungestörten, alle Sinne umfassenden Hautkontakt zwischen Mutter und Baby im Zeitfenster nach der Geburt bis zur Ausstoßung der Plazenta und innerhalb weniger Stunden danach.


Dieses Imprinting wirkt für das ganze Leben prägend und hat deshalb einen hohen Stellenwert in der Persönlichkeitsentwicklung. Dieses Zeitfenster kann dem Baby dazu dienen, in der Sicherheit des Zugehörigseins den Geburtsprozess zu verdauen und zu integrieren. Das Ankommen in einer neuen Welt, die große Anstrengung unter der Geburt, eventuelle Komplikationen oder Gefahrensituationen können in einer imprintingfreundlichen Umgebung vom Kind und natürlich auch den Eltern verarbeitet werden.

Was geschieht aber, wenn das Imprinting verhindert wird?

„Solange die allererste Lebenserfahrung von uns Menschen Schmerz, Verlassenheit, Ohnmacht und Abspaltung dieser Gefühle ist, bleiben wir vorerst blind gegenüber der Erkenntnis, dass eine der verheerendsten menschlichen Gewalttaten, das Weglegen von Babies und die damit verbundene Verunmöglichung des Imprinting ist.“

Willi Maurer

Es war lange Zeit normal, Kinder nach der Geburt wegzulegen und sie zum Beispiel im Vierstundentakt zu füttern. Ganz im Gegenteil zu allen Säugetieren und Primaten gab es diese Praxis für viele Jahrhunderte und lange Zeit blieb es unbemerkt, welchen Einfluss das auf die Gesellschaft hat.

Aus meiner eigenen Selbsterfahrung und den begleiteten Prozessen weiß ich, dass Verlassenheit, Einsamkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit im Kind entstehen, wenn es die ersten Momente des Lebens nicht in Verbundenheit und im Körperkontakt mit Mutter oder, wenn dies verunmöglicht, dem Vater oder einer Person die in den ersten Lebensjahren in der Familie präsent sein wird, verbringen kann. 

Geburt und Imprinting

Meist sind diese Erfahrungen emotional überfordernd für das Kind, sodass es diese Erinnerungen abspalten muss, da es eine lebensbedrohliche Situation ist, als Neugeborenes alleine zu sein. Wir Menschen kommen frühreif auf die Welt und brauchen im Gegensatz zu anderen Säugetieren eine weitere Tragezeit außerhalb des Mutterleibs, um zu reifen und gesund zu wachsen, deshalb sind wir am Anfang des Lebens außerhalb der Gebärmutter so schutzlos und abhängig.

Weil das kindliche Gehirn (oder das genetische Programm, das dessen Entwicklung steuert) nicht „wissen kann“, worauf es später im Leben einmal ankommt und welche Verbindungen wirklich gebraucht werden, wird also zunächst erst einmal ein großer Überschuss an Verschaltungen bereitgestellt. Stabilisiert und erhalten bleiben davon aber nur diejenigen, die auch wirklich benutzt, das heißt häufig aktiviert werden. Am Anfang des Lebens ist also gewissermaßen noch alles möglich, aber nur wenige Verschaltungsmuster sind bereits so gut gebahnt, dass sie effektiv nutzbar sind.“

Dr. Gerald Hüther

Die oben genannten Empfindungen beim Fehlen einer gefühlten Zugehörigkeit können Menschen dann dazu veranlassen, das Leben als nicht lebenswert zu betrachten. Eventuell verlieren sie den Glauben an sich selbst oder das Vertrauen, dass es sich lohnt auszudrücken, was sie mögen, da sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie keiner hört oder wahrnimmt. Ohne Verständnis von Zeit sind also schon wenige Minuten alleine für den Säugling eine Ewigkeit und können prägenden Charakter haben. Mögliche Prägungen sind auch Wut und Hass aufgrund der nicht erfüllten Wünsche des Säuglings, Resignation und Dissoziation, die Unfähigkeit Bedürfnisse zu spüren und diese zu äußern und noch weitere.

All dies bleibt meist im Verborgenen bis Menschen sich durch einschneidende Erlebnisse auf den Weg der inneren Spurensuche begeben. Die Geburt eines eigenen Kindes oder eine Partnerschaft können zum Beispiel Situationen hervorrufen, die diese alten primären Erlebnisse wieder zum Schwingen bringen.

Meine traumatische Geburt nahm Einfluss auf meinen heutigen Schmerz 

Das beste Beispiel auf meinem Weg ist dafür die Trennung von einer Partnerin. Ich hatte das große Glück, die schrittweise Trennung von einer Partnerin mit Hilfe von Prozessbegleitern durcharbeiten zu können und bei jeder Sitzung führte der angerührte Schmerz und die Verlustangst zu den frühen Erfahrungen als Säugling, der allein gelassen im Wärmebett oder Gitterbett liegt und dessen Existenz bedroht erscheint. Es war für mich nicht mehr von der Hand zu weisen, dass der angerührte Schmerz der Trennung meiner Partnerin zum großen Teil der Schmerz des verlassenen Säuglings war. Aus dieser Perspektive scheinen die Millionen von Liebesliedern, in denen es um existentielle Gefühle wie Angst, Sehnsucht, Hass und Traurigkeit geht, verständlich.

„Wenn die Geburt traumatisch war, dann können spätere Trennungen im Spiegel der Urerfahrung erlebt werden, etwa als Verlust, Fall ins Bodenlose, Ausweglosigkeit, Vernichtung, Panik usw. Es ist dann für die Psychotherapie wichtig, diese Zusammenhänge aufzugreifen und durchzuarbeiten, wodurch im guten Falle eine Integration der frühen traumatischen Erfahrungen möglich ist und die Handlungs- und Beziehungsfähigkeit erheblich erweitert werden kann.“

Dr. Ludwig Janus

Wie lässt sich die Entstehung von Gewalt erklären?

Das ist natürlich nur ein Beispiel, da es gerade in Partnerschaften viele Situationen geben kann, wo frühkindliche Erfahrungen in Resonanz versetzt werden. Gewalttaten an schreienden Kindern oder Gewalt bis hin zu Mord aus Eifersucht deuten auf den enormen abgespaltenen Schmerz hin, der sich in unserer Gesellschaft befindet. Der Ursprung der starken Gefühle bleibt unerkannt.

Der Verlust der Zugehörigkeit, so wie er empfunden wird, wenn wir nach der Geburt alleine sind, ist natürlich ein Nährboden für Mechanismen, die dazu dienen, Zugehörigkeit zu finden. Fußballvereine, Parteien, Sekten, Computerspiele, Burschenschaften und anderes können  Zugehörigkeit empfinden lassen. Dagegen ist per se nichts auszusetzen. Worauf es zu achten gilt, ist, wenn diese Zugehörigkeit mit allen Mitteln verteidigt oder andere Gruppen angegriffen werden. Dann kann es sein, dass die mangelnde Zugehörigkeit der ersten Lebensaugenblicke berührt ist und da diese Erfahrung existenziell bedrohlich war, ist auch der Verlust der aktuellen Zugehörigkeit plötzlich (lebens-)bedrohlich. Natürlich zählt hierzu ebenfalls das Erkaufen von Zugehörigkeit durch Konsum verschiedenster Formen. Auch so kann Zugehörigkeit geschaffen werden. Problematisch ist dabei die zunehmende Ausbeutung der Erde und die Folgen für die kommenden Generationen, die damit den Preis für die unaufgearbeiteten Gefühle der aktuellen Gesellschaft zahlen müssen. 

Aufgrund der Komplexität des Themas belasse ich es bei den nun benannten Beispielen für den Einfluss frühkindlicher Erfahrung auf Gesundheit, Persönlichkeitsentwicklung und unsere Gesellschaft. Es war mir ein Anliegen zu zeigen, dass die gemachten Erfahrungen weitreichend und fatal sein können. Aber das gilt in beide Richtungen.

Ist Prävention der Schlüssel?

Zugehörigkeit

Was wäre, wenn wir als Gesellschaft aufgrund des Wissens um die sensible Lebensphase entscheiden würden, präventiv zu handeln anstatt zu reparieren? Was würde geschehen, wenn Menschen ihrer eigenen Geschichte auf die Spur kommen, sie integrieren und dabei die Bedeutsamkeit frühkindlicher Erfahrungen begriffen?

Es wäre eventuell folgendes der Fall: Im Gegensatz zu meiner anfänglichen Beschreibung der fehlenden Aufmerksamkeit für dieses Thema würden plötzliche viele Berufsstände, Familien und Institutionen merken, dass Kinder ein Recht auf einen guten Start ins Leben haben. Es würde klar werden, dass eine Geburt ein natürlicher Vorgang ist, der nur selten Intervention und Eingriff braucht. Dass das aber nur möglich ist, wenn Familien in Ruhe, Geborgenheit und versorgt durch kompetente Hebammen dort gebären können, wo und wie sie es wollen. Auch das betrachte ich als ein Menschenrecht. Es wären dann nicht nur ein paar Hunderte Menschen, die vor dem Gesundheitsministerium demonstrieren, darunter vermehrt Frauen und Kinder. Nein es würde sich eine bundesweite Bewegung formen, die darum weiß, dass wir es unseren Kindern und deren Potenzialen schuldig sind und wir als Erwachsene für die bestmögliche Gesundheit der Kinder die Verantwortung tragen. Was diese Bewegung alles schaffen kann, kann ich gar nicht einschätzen, aber es ist höchste Zeit, dass es einen Bewusstseinswandel gibt, der Familien dabei unterstützt, ihre Kinder gut ins Leben zu tragen. Denn…

„Die Menschen hingegen, die als Neugeborene ihr Innerstes gar nicht erst abspalten mussten und Liebe und Achtsamkeit verinnerlicht haben oder wieder zurückgewonnen haben, werden den Mut haben, gesellschaftliche Veränderungen einzuleiten. Der Mensch ist nicht nur der Schöpfer der Welt von heute sondern auch der von morgen.” 

Willi Maurer

Artikel zuerst erschienen bei evidero: https://www.evidero.de/

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