Die kürzlich veröffentlichten, allerdings (noch) stark geschwärzten Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert Koch Instituts (RKI), die über zwei Jahre freigeklagt werden mussten, deuten darauf hin, dass ein Großteil der Corona-Maßnahmen von der Politik eingefordert und angeordnet wurde, statt auf wissenschaftlicher Basis begründet gewesen zu sein. Trotz der massiven Schwärzungen zeigen die “RKI-Files“, dass die Fachleute im RKI von Anfang an über die Evidenzlosigkeit vieler Maßnahmen und die Untauglichkeit vieler pandemierelevanter Daten wussten – ein Meilenstein der Corona-Aufklärung!

Der Rechtsstreit um die Corona-Krisenstabsprotokolle

Am 20. März 2024 veröffentlichte das Onlinemagazin Multipolar alle Protokolle des Corona-Krisenstabs des RKI zwischen dem 14. Januar 2020 und dem 30. April 2021. Das Magazin um den Journalisten Paul Schreyer befand sich über zwei Jahre und unter Einsatz von etwa 15.000 € in einem Rechtsstreit um diese Protokolle. Man hoffte, damit aufzuklären, wie es Mitte März 2020 dazu gekommen war, dass Covid-19 zu einer hohen Gesundheitsgefahr eingestuft wurde. Laut einem Multipolar-Artikel vom 18. März 2024 „war die Hochstufung der Risikoeinschätzung […] das rechtliche Fundament sämtlicher Corona-Maßnahmen“. Es geht überdies auch um die in jener Zeit gefällten Gerichtsurteile, die sich in der Regel auf die Hochstufung durch das RKI beriefen, anstatt weitere Experten anzuhören. Es ist also die Frage, die Maßnahmenkritiker und Maßnahmenbefürworter von Anfang an beschäftigte: Ist SARS-Cov2 eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit?

Das Multipolar-Magazin hatte die 200 stark geschwärzten Protokolle und ein dazugehöriges, rund 1000 Seiten starkes Schreiben der Anwaltskanzlei, welches die Schwärzungen juristisch rechtfertigt, bereits im April 2023 erhalten. Laut Paul Schreyer bestand zunächst die Hoffnung, die Schwärzungen kurzfristig per Gerichtsverfahren aufheben zu können, weshalb man mit der Veröffentlichung abwartete. Angesichts der Brisanz der Inhalte wirkt die fast einjährige Verzögerung der Veröffentlichung nun jedoch wie vertane Zeit. Der für Mai 2024 angesetzte Verhandlungstermin bezüglich der Schwärzungen sollte ursprünglich auf Antrag der RKI-Anwälte wieder verschoben werden. Doch scheinbar aufgrund des großen öffentlichen Interesses hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach am 27. März 2024 überraschenderweise eine zeitnahe Entschwärzung der Protokolle veranlasst.

Widersprüchlich erscheint dabei die Tatsache, dass Lauterbach seit dem 8. Dezember 2021 im Amt ist und die Ablehnung für die Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz von Multipolar am 30. Dezember 2021 einging. Wieso sollten die Protokolle ohne die Intention einer Veröffentlichung geschwärzt worden sein? Und wie kann der Minister die Entschwärzung veranlassen, wenn das RKI politisch unabhängig agiert?

In einer aktuellen Stellungnahme des RKI heißt es nun: „Angesichts der aktuellen öffentlichen Diskussion sind BMG und RKI gemeinsam der Auffassung, dass die damalige Entscheidung in der jetzigen Situation noch einmal überprüft wird und weitere Informationen zur Verfügung gestellt werden.“

Die medizinisch nicht begründete Gefahrenhochstufung

Am 17. März 2020 verkündete der damalige Chef des Robert Koch Instituts Lothar Wieler die Verschärfung der Risikoeinschätzung für die Gesundheit der Bevölkerung durch Covid19 auf „hoch“ und begründete dies unter anderem mit den steigenden Fallzahlen. Gemeint war damit ein starker Anstieg der totalen Anzahl positiver Corona-Testergebnisse im Vergleich zur Vorwoche. Ebenfalls nur durch mehrfaches Nachfragen durch das Multipolar,Magazin bekannt geworden ist jedoch der Umstand, dass in der Woche ab dem 16. März 2020 (KW12) die Testanzahl in Deutschland verdreifacht wurde. Die steigenden Fallzahlen waren also kein Abbild steigender Erkrankungen oder Hospitalisierungen. Der Anteil der Positiv-Getesteten hatte sich lediglich um 0,9% verändert.

Coronavirus: Irreführung bei den Fallzahlen: https://multipolar-magazin.de/artikel/coronavirus-irrefuhrung-fallzahlen

Im Protokoll des 16. März ist folgender Satz zu lesen: „Am Wochenende wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald [Name geschwärzt] ein Signal dafür gibt.“ Diese Hochstufung erfolgte laut Multipolar „abrupt und offenbar von außerhalb des RKI initiiert„, weil dafür laut Aussage der das RKI vertetenden Kanzlei Raue keine Dokumente vorliegen. Auch die geschwärzte Person, die das Signal zur Hochstufung geben sollte, ist weiterhin unbekannt. Das RKI, welches sich wahrscheinlich aufgrund des starken Medieninteresses veranlasst sah, eine Stellungnahme zu den Protokollen zu veröffentlichen, behauptet, dass es sich dabei um einen RKI-Mitarbeiter handelt.

Ebenfalls am 16. März 2020 veröffentlichte die deutsche Firma Biontech eine Pressemitteilung, in der sie von „rapiden Fortschritten beim COVID-19-Impfstoff-Programm zur Bekämpfung der globalen Gesundheitsbedrohung“ spricht. Am selben Tag bereits wurde in England im Zusammenhang mit einer Studie der erste Proband mit einem mRNA-Vakzin von Moderna geimpft. Auch am 16. März veröffentlichte der Epidemiologe Neil Ferguson vom Imperial College in England seine Modellierungen, die Lockdowns empfahlen (und die sich später als grob falsch herausstellten).

Die Evidenzlosigkeit der Maßnahmen

Die Protokolle des Krisenstabs sind auch deswegen bemerkenswert, weil sie darlegen, wie wenig Evidenz und wie viel Unsicherheit bezüglich der anvisierten Maßnahmen gegen Covid-19 vorhanden waren. Die vorliegenden Aufzeichnungen vermitteln ein ganz anderes Bild als die meist als von der Mehrheit der Wissenschaften getragenen Eindämmungsmaßnahmen. Ein deutliches Beispiel dafür ist die von Politik und Medien als wirksam propagierte Maske, für deren Wirksamkeit es in den RKI-Protokollen wenig bis keine Belege gibt.

Eine wichtige Kennzahl des Corona-Geschehens war die sogenannte Inzidenz, also die Anzahl positiver Test auf z.B. 100.000 Einwohner – was ohne Bezugnahme auf die Anzahl der durchgeführten Tests eine wenig belastbare Zahl darstellt. Das wussten offenbar auch die Fachleute des Krisenstabs, als sie am 23. März 2020 den folgenden realistischen „Key Performence Indikator“ vorschlugen: „z.B. Anzahl positive Teste zu Anzahl Tests insgesamt“

Dazu heißt es in den Protokollen am 5. Mai 2020: „Indikatoren bereitzustellen, wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun und BM Spahn.“

Spannenderweise findet sich bezüglich der öffentlichen Kommunikation der Testzahlen in den Protokollen ein Vermerk, der andeutet, dass fallende Zahlen lieber nicht bekanntgegeben werden sollten: „Aktuell ein leichtes Indiz für eine Verlangsamung der Dynamik: dies sollte jedoch nicht so vermittelt werden, um die neuen Maßnahmen nicht in Frage zu stellen, zumal wir uns nicht sicher sein können, wie die Tendenz sich weiterentwickelt.“ (30. Oktober 2020)

Zu Beginn des Corona-Geschehens wurde der eigentlich naheliegende Vergleich zu Influenza (echte Grippe) medial schnell als unangebracht dargestellt. In den Protokollen des RKI ist dazu Folgendes zu lesen: „Covid19 sollte nicht mit Influenza verglichen werden, bei normaler Influenzawelle versterben mehr Leute, jedoch ist Covid-19 aus anderen Gründen bedenklich(er)“ Diese „anderen Gründe“ sind im Protokoll jedoch nicht zu finden.

 

 

Der PCR-Test und seine Zuverlässigkeit

Bereits im Februar 2020 wussten die Fachleute folgendes über den PCR-Test und seine Zuverlässigkeit, Infektiösität zu erkennen: „Ein positives PCR-Ergebnis nach Gesundung muss nicht zwangsläufig mit Infektiösität einhergehen.“ Außerdem wurde festgestellt: „PCR ist gegen die anderen Coronaviren abgeglichen, SARS könnte als positiver Test auftreten, aber zirkuliert aktuell nicht.“ Dabei handelt es sich um sogenannte falsch-positive Testergebnisse. Damit sind Testergebnisse gemeint, die aufgrund einer Fehleranfälligkeit positiv ausschlagen, obwohl keine Infektion vorliegt.

Dass die Fachleute um die Bedeutung dieser Thematik wussten, zeigt folgende Aussage: „Falsch positive Tests sind weiterhin ein Thema in den Medien, es wurde eine gute Sprachregelung und FAQ erstellt, doch es bleibt ein Lieblingsthema der Verschwörungstheoretiker und kommt deswegen noch stets vermehrt auf “ (12. August 2020). Ein positiver PCR-Test war dennoch Grundlage für die Einschränkungen von Grundrechten, z.B. bei häuslicher Absonderung.

Die nicht vorhandene Wirksamkeit von Masken in der Öffentlichkeit

Die viel besprochene und meist heiß diskutierte (Un)Wirksamkeit von Masken in der Öffentlichkeit war ebenfalls Gegenstand der Besprechungen des Kristenstabs. Folgende Ausführungen zeigen auf, dass weder für das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) noch für die FFP2-Masken in der Öffentlichkeit eine solide Evidenz vorlag: „Evidenz für MNS – keine Studien, die Kontraproduktivität belegen/dagegen sind, keine Evidenz dafür.“ Aber: „ECDC [European Centre for Disease Prevention and Control] empfehlen sie nicht für gesunde Personen in der Allgemeinbevölkerung. RKI bleibt dabei: nicht empfohlen in der Öffentlichkeit, in häuslichem Umfeld mit Fall ja, auch zum Schutz anderer“ (26. Februar 2020). Im Oktober 2020 heißt es: „[E]s gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“.

Eine detaillierte Analyse zum Kenntnisstand des RKI zur Evidenzlage bei Masken zieht folgendes Fazit: „Schon aus den jetzt bruchstückhaft vorgelegten Informationen aus dem RKI lässt sich konstatieren: 1) Den Verantwortlichen war von Beginn an bewusst, dass es keine begründbare wissenschaftliche Evidenz für eine generelle Maskenpflicht in der Bevölkerung gibt.“

Der Umgang mit einem Atemwegsvirus

Ebenfalls interessant ist der Umgang des Krisenstabs mit dem Pandemie-Verlauf in Schweden – ein Land, welches bekanntlich fast ohne Maßnahmen und vor allem ohne Pflichten und Grundrechtseinschränkungen auskam und schlussendlich eine sehr geringe Gesamtsterblichkeit und wenig Einbußen in der Lebenserwartung zu verzeichnen hatte. Mit Schweden hatte man sozusagen eine Art Kontrollgruppe, die aufzeigte, was geschehen wäre, wenn man auf die drakonischen Maßnahmen verzichtet hätte. Im Mai 2020 ist bei einer Besprechung des Krisenstabs Folgendes zum schwedischen Weg zu lesen: „Begrenzte Maßnahmen in der breiteren Bevölkerung haben nicht zu einer Katastrophe geführt, daraus könnte man lernen.“ Scheinbar gab es sogar das Angebot, sich den schwedischen Weg näher anzuschauen: „Intern gab es mehrfach Diskussion, dass es interessant wäre, sich mit Schweden auszutauschen. ZIG würde es bei Bedarf organisieren, wenn es Interesse seitens des Krisenstabes gäbe“ (3. Juli 2020). Das ZIG ist das Zentrum für Internationalen Gesundheitsschutz, welches von Johanna Hanefeld geleitet wird. Hanefeld war bei fast allen Krisenstabssitzungen anwesend und nahm im Oktober 2022 als Privatperson am von Johns Hopkins Zentrum für Gesundheitssicherheit ausgerichteten Pandemieplanspiel „Catastrophic Contagionteil.

Verblüffend ist auch eine Anmerkung im April 2020, die zeigt, wie früh den Beratenden klar war, dass es kaum Möglichkeit gibt, einen Atemwegserreger aufzuhalten. Dort heißt es: „[E]ine akute respiratorische Erkrankung kann auf Dauer nicht aufgehalten werden. Der Aufwand wäre sehr groß und würde mit sehr großen Einschränkungen des öffentlichen Lebens einhergehen.

Das wiederum entspricht ziemlich genau dem Ansatz der Great Barrington Declaration und dem so erfolgreichen schwedischen Weg, welcher uns die extremen gesellschaftlichen Zerwürfnisse, die systematische Kindeswohlgefährdung und die totalitären Tendenzen der Pandemiepolitik erspart hätte.

Fazit

Bereits die ungeschwärzten Passagen der freigeklagten RKI-Protokolle zeigen, dass die oftmals als Covidioten und Verschwörungstheoretiker stigmatisierten Menschen, die ab März 2020 für Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit bei der Pandemiepolitik in Massen auf die Straße gingen, und die vielen kritischen Wissenschaftler und Ärzte größtenteils Recht hatten. Ihre Kritik an der fehlenden Evidenz der politischen Maßnahmen deckt sich mit Aussagen von Experten des Krisenstabs. Dies legt nahe, dass die Pandemiepolitik ein politisch gesteuertes Geschehen war und eben nicht von einem breiten Konsens in der Wissenschaft getragen wurde. Doch die Politik suggerierte eine nicht vorhandene Eindeutigkeit und Alternativlosigkeit, um historische Grundrechtseinschränkungen bis hin zu einer Abstimmung über eine allgemeine Corona-Impfpflicht durchzusetzen.

Wäre der fachliche Austausch des Krisenstabs während des Corona-Geschehens öffentlich gewesen, so wäre die Akzeptanz der Eindämmungsmaßnahmen aufgrund fehlender Fakten wohl deutlich niedriger gewesen. Daher brauchte es auch Soziologen wie Heinz Bude, Mitautor des berühmten Panikpapiers und Mitglied der COVID-19 Task Force des Bundesministerium des Inneren, die für die nötige Akzeptanz sorgen sollten. Wie das gelingen konnte, erläuterte Bude im Januar 2024: „Jetzt noch einmal aus dem Nähkästchen geplaudert. Wir haben gesagt, wir mussten, wir müssen ein Modell finden, um Folgebereitschaft herzustellen, das so ein bisschen wissenschaftsähnlich ist.“

Daher ist es umso wichtiger, die Schwärzungen in den Protokollen zu entfernen und die noch fehlenden Krisenstab-Protokolle freizuklagen. Der Autor dieses Textes hat daher eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgetz an das RKI gestellt und darin um die Protokolle des Krisenstabs nach dem 30. April 2021 gebeten. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Hintergründe einer Politik, die vier Jahre lang Angst induzierte und Grundrechtseinschränkungen ohne ausreichend faktische Grundlage durchsetzte. Sie hat Recht auf eine politisch unabhängige Aufklärung, die genügend Befugnisse und Werkzeuge hat, um die Geschehnisse lückenlos offenzulegen und juristisch vorzugehen.

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