Ein Blick in unsere Vergangenheit

Die Hadza gehen womöglich in direkter Linie auf die Hauptwurzel des menschlichen Stammbaums zurück, die hier mehr als 100000 Jahre in die Vergangenheit reicht.“

Michael Finkel, National Geographic

Auf meiner Recherche nach Kulturen und Gruppen, die noch die ursprüngliche Lebensweise leben fand ich sehr schnell heraus, dass es eine fast nicht mehr existierende Minderheit auf unserem Planeten ist, die immer noch diesen „alten Weg“ des Lebens geht. Eine dieser Gruppen sind die Hadzabe, die um den Eyasi See in Tansania leben. Da ich selber seit vielen Jahren diese ursprüngliche Lebensweise studiere und teilweise lebe, träumte ich schon lange davon, Leute zu treffen, die nie aufgehört haben im Gleichgewicht mit ihrer natürlichen Umgebung zu leben. Wir Europäer haben diesen Entwicklungsschritt schon vor mehreren Tausenden von Jahren gemacht, als wir vom Jagen und Sammeln zum Ackerbau und zur Viehzucht wechselten. Es gibt immer mehr Quellen und Wissenschaftler, die diesen Schritt als den ersten Schritt in Richtung moderne Zivilisation ansehen. Anstatt den Früchten und Fischen und dem Rhythmus der Erde zu folgen und auf ihn zu hören, entschieden wir uns dafür Kontrolle über unsere Essensbeschaffung zu erlangen, indem wir Samen säten und Tiere hielten. Mein Besuch bei den Hadzabe war eine kleine private Forschungsreise und natürlich viel zu kurz, um genug Informationen zu sammeln. Issa Ngimba ist in dieser Zeit unser Guide gewesen und er hat selber mit den Hadzabe für 6 Monate zusammengelebt. Wir haben 2 Gruppen besucht und viel mit Issa geredet, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Natürlich nehmen wir nicht an, die Lebensweise der Hadzabe verstanden zu haben oder genug zu wissen, um ihre Kultur generell beschreiben zu können. Deshalb ist es ein Erfahrungsbericht aus den Augen von Leuten, die selber auf diese Art und Weise gelebt haben und viel Interesse an diesem Thema haben.

Generelles

Sammeln gehen

In der Region, um den Lake Eyasi, gibt es mehrere Gruppen der Hadzabe und gleichzeitig gibt es Viehzüchter, die mit ihren Tieren in die Jagdgründe der Hadzabe vordringen und somit wilde Tiere verscheuchen und außerdem die Nahrungsgrundlage für diese Tiere beeinflussen. In den 70er Jahren versuchte die Regierung die Hadzabe in Reservate umzusiedeln, doch die Hadzabe erklärten, dass sie lieber im „Busch“ leben wollen und kein Interesse an Reservaten haben. Die einzelnen Gruppen sind über das Land verteilt und bestehen jeweils aus 15-35 Personen. Die Gruppen und ihre Mitglieder sind keine starren Einheiten, sondern verändern sich stetig. Bei unseren Besuchen haben wir gleiche Personen in verschiedenen Gruppen getroffen. Die Hadzabe leben in der Trockenzeit ohne feste Behausung und sind Nomaden. Sie ziehen also umher, um ihre Bedürfnisse nach Wasser und Essen zu stillen. In der Regenzeit bauen sie Hütten, um sich vor dem Regen zu schützen und wechseln den Platz für ihr Lager. Wenn sie zu einem neuen Platz ziehen, dann nehmen sie nichts außer ihrer ganz persönlichen Dinge mit und lassen ihre Hütten einfach stehen, wenn sie überhaupt welche gebaut haben.


Tagebuch oder die Erfahrung


Wir hatten uns mit Issa in Ghorofani, einem kleinen Dorf in der Nähe des Sees, verabredet und erreichten diese kleine Siedlung nach einer 2 Stündigen Fahrt in einem Land Rover, in dem ca. 14 Leute saßen. Nachdem wir ein Zimmer bezogen und uns ausgeruht hatten, trafen wir uns mit Issa zum Abendessen. Voller Neugier begann ich ihn über die Hadzabe auszufragen und er antwortete stets ruhig und gelassen. Als erstes sprachen wir über die Jagdgewohnheiten und er erzählte, dass die Jagd fast ausschließlich mit Pfeil und Bogen stattfindet und sie Vögel, Affen, Kudus, Impalas, Antilopen, Gazellen und eine kleine Hundeart jagen. Das Jagen ist ausschließlich Männersache und findet meistens in den frühen Morgenstunden und zur Dämmerung statt. Sehr selten finden Jagdausflüge über mehrere Tage statt. Für die Jagd auf Vögel und Affen ziehen sie in Gruppen los und haben Hunde dabei, die als Unterstützung dienen. Für die Jagd nach großen Säugetieren geht ein Mann alleine los und benutzt einen Giftpfeil, um das Tier zu töten und dann zu verfolgen.

Er geht dann auch ohne Hunde los, da sie die großen Säugetiere aufschrecken und verscheuchen. Issa erzählte auch, dass es immer weniger große Tiere gibt und es vor nicht allzu langer Zeit noch Elefanten, Zebras, Giraffen und Büffel hier in der Gegend gab. Wenn ein Jäger z.B. einen Büffel erlegte, dann würde die Gruppe zum Ort des Geschehens ziehen, anstatt das ganze Fleisch und die Haut zurück ins Camp zu schleppen. Laut Issa gibt es 2 Tiere, die die Hadzabe niemals jagen. Dabei handelt es sich um die Hyäne und Schlangen. Da die Hyäne tote Menschen isst und sich damit unter anderem von ihren Vorfahren ernährt, wird sie nicht gejagt. Die Schlange wird nicht gejagt und gegessen, da sie annehmen, dass das die Giftwirkung ihrer Pfeile beeinträchtigen könnte. Jedoch benutzen sie das Fett der Schlangen als Medizin. Nachdem unser Abendessen vorbei war, verabredeten wir uns für den nächsten Morgen, an dem wir die erste Gruppe besuchen werden, um einen halben Tag mit ihnen zu verbringen. Issa geleitete uns in unser Guesthouse, in dem es keinen Strom gibt, aber eine sehr nette Inhaberin, die wir noch zu schätzen lernten.

Am nächsten Morgen ging es also los und mit 2 Motorrädern fuhren wir ca. 8 km auf einer Sandstraße in den Busch. Angekommen an einem ausgetrockneten Fluss folgten wir einem Weg, der voller Spuren von Ziegen und Kühen war und plötzlich hielten wir an. Erst nach genauem Hinschauen konnten wir das versteckte Camp entdecken und mit langsamen, vorsichtigen Schritten näherten wir uns dem Lager. Es ist schon jetzt sehr warm, trocken und fast windstill und ich bin aufgeregt und sehr aufmerksam. Ich möchte wie ein Schwamm sein und versuche alles zu sehen und zu beobachten, was ich kann. Wir kommen ins Camp und grüßen zuerst die Männer mit „Mtana“, da wir sie als erstes treffen. Sie sitzen etwa 10 Meter entfernt von den Frauen um ein Feuer und arbeiten an Pfeilen. Pfeilschäfte gerade biegen, Federn ankleben, Kerben machen, und so weiter. Die Frauen sitzen ebenfalls um eine Feuerstelle. Nach einer Weile kommt eine Frau vorbeigelaufen, die anscheinend Beeren sammeln war und gibt einen Topf voller Beeren an die Männerrunde. Die Beeren werden im Kreis herum gegeben und nicht jeder kriegt etwas ab. Wir verbringen die restliche Zeit mit Handdrill-Feuermachen und besichtigen die einzelnen Schlafplätze der Familien. Einer der Männer erzählt uns, dass gestern Abend ein Kudu von einem Jäger geschossen wurde und dieser seit dem Morgengrauen nach ihm sucht. Zum Abschluss gehen wir auf einen kleinen Jagdstreifzug mit einer Gruppe von 5 Jungen. Sie versuchen Vögel mit Pfeil und Bogen zu treffen und sie haben sogar das Glück ein Kudu zu sehen. Es entwischt uns aber. Wir erreichen einen kleinen Hain, in dem es die süßen Früchte gibt und lassen es uns schmecken. Einer der Jungs macht ein Feuer und röstet seinen Vogel auf dem Feuer gleich unter dem Beerenstrauch. Wir gehen zurück ins Lager und noch ist der Mann noch nicht zurück, der nach dem angeschossenen Kudu sucht. Wir verabschieden uns mit einem „Lobe’er“ und fahren zurück ins Dorf.


Am Abend treffen wir uns wieder mit Issa zum Abendessen und wir sitzen am gleichen Tisch, im gleichen Restaurant und essen das gleiche Essen. Wir haben ordentlich Hunger und ich denke an die Hadzabe und ob sie das Kudu gefunden haben und ein Festessen hatten, oder nicht? Issa erzählt uns, dass wenn die Frauen ihre Mondzeit haben, dass sie dann nicht die Pfeile der Jäger anfassen und auch nicht Beeren für die Gemeinschaft sammeln. Auch die Männer der Frauen gehen in dieser Zeit nicht auf die Jagd. Er erzählt uns darüber, dass die Kinder der Hadzabae immer öfter vor dem 7. Lebensjahr sterben und dass sie keine medizinische Versorgung wie wir haben. Er sagt auch, dass die Hadzabe ihrer eigenen Medizin mehr vertrauen als der, der Doktoren des Dorfes. Und dass sie bei Schlangenbissen ganz bestimmte Pflanzen und Wurzeln verwenden.

Heute besuchen wir eine andere Gruppe, in der es mehr Kinder und Kleinkinder gibt. Auch hier sitzen die Frauen und Männer getrennt und gehen ihren Aktivitäten nach. Überall sind kleine Feuerstellen zu sehen, an denen oft 3 große Steine stehen, um mit einem Topf zu kochen. Uns wird der nächstgelegene Baobab Baum gezeigt und Issa erklärt, dass dieser Baum auch „Falschrum-Baum“ genannt wird, da seine Krone wie die Wurzeln eines Baumes aussehen. Es ist ein großer Baum und er trägt noch ein paar Früchte. Gleichzeitig ist er ein Zuhause für 2 Bienenarten und beherbergt manchmal Vögel. Die Hadzabe hauen Holzkeile in den Baum,
um in die Krone zu steigen und den Honig der Bienen zu sammeln. Manche von diesen Bäumen speichern Wasser in ihrem Stamm, das man mithilfe einer bestimmten Technik herausschöpfen kann. Mithilfe von Wurfstöcken erbeuten wir ein paar Früchte und öffnen sie. Das Innere ist wie ein getrockneter Marshmallow, der leicht zitronig schmeckt und irgendwie erfrischend ist, die Kerne kann man knacken und sie schmecken nussig.

Am Feuer sitzen wir mit den Männern zusammen und manche liegen herum, machen ein Nickerchen und manche schnitzen, biegen und werkeln an ihren Pfeilen. Dann bringt eine der Frauen eine Portion Beeren vorbei und wieder kriegen nicht alle etwas ab. Ein älterer Mann wendet sich an die Gruppe und Issa meint, er sagte zu den anderen, das immer wenn es etwas zu Essen gibt, dann nehmen sie einfach. Er schien mir ein wenig verärgert zu sein. Einer der Männer zieht einen steinernen Gegenstand aus dem Sand und zeigt ihn uns. Es ist eine Pfeife, die aus einem sehr weichen Stein gemacht wurde. Der Mann, der sie sich anzündet war gestern in der anderen Gruppe, die wir besuchten. Er pafft ein wenig Tabak und gibt sie dann weiter. Sie haben 2 Pfeifen, von denen eine für Tabak und die andere für Marihuana ist. Immer wenn sich jemand eine Zigarette anzündet wird sie geteilt und herum gegeben. Wir haben die Hadzabe (Männer und Frauen) viel rauchen gesehen. Sie kaufen den Tabak von den Viehzüchtern. Nach einer Weile nehmen uns ein paar Jungs zum ausgetrockneten Fluss mit und zeigen uns ihren Bogenschießplatz. Eine Wurzel liegt ca. 15 m entfernt und wir probieren sie zu treffen. Die Bögen sind kurz und sehr stark und am Anfang ist es nicht einfach damit zu schießen. Beim zweiten Schuss lande ich einen Treffer und nach ein paar Runden sind die Jungs dran. Sie schießen sehr schnell und präzise und einer von ihnen(der Älteste) ist ein sehr guter Schütze. Issa erzählt uns, dass die Kinder hier oft spielen und üben und so immer besser im Bogenschießen werden. Es ist fast mittags und die Wärme und Sonne werden stärker und wir kehren an die Feuerstellen zurück.


Vom Jungen zum Mann

Fell trocknen


Wir fragen Issa, ob und wie es einen Übergang vom Jungen zum Mann gibt. Issa erzählt uns, dass wenn die Zeit gekommen ist der Junge für 2 Wochen im Lager bleibt. Er wird geschmückt und die Ältesten der Gruppe unterrichten ihn. Er lernt, was es bedeutet sich „gut“ zu verhalten. Auf die Frage was das bedeutet ist Issa ein wenig sprachlos, fügt aber hinzu, dass es wichtig ist ehrlich zu sein. Außerdem erzählt er uns, dass es wichtig ist, die Ältesten zu ehren. Sie bekommen meistens besonders nahrhafte Teile des erbeuteten Tieres. Genauso sagt er, ist es auch wichtig, dass die Ältesten die Jüngeren ehren. Nach diesen 2 Wochen wird ein ganz bestimmtes Fleisch gekocht, um es den Vorfahren zu geben. Dieses Gericht darf nicht direkt im Camp zubereitet werden, sondern außerhalb. Nach diesem Übergang darf der „Junge“ dann am „Epeme“ teilnehmen. Das ist ein traditioneller Tanz, bei dem die Hadzabe zu ihren Vorfahren sprechen. Laut Issa findet dieser an sehr dunklen Nächten (Neumond) statt und es ist den Jungen, die noch nicht diesen Übergang gemacht haben nicht erlaubt teilzunehmen. Über den Übergang der Mädchen wusste Issa nicht so viel und fragte bei einem der Männer nach. Dieser wiederum erzählte, dass die Mädchen bei ihrer ersten Mondzeit dekoriert und geschmückt werden und dieser Übergang so zelebriert wird. Mädchen und Jungen werden bei den Hadzabe beschnitten, sagt Issa und im Laufe eines Kinderlebens bekommt das Kind verschiedene Namen. Er erzählt, dass es nach bestimmten Entwicklungspunkten einen neuen Namen für ein Kind gibt. Wenn es z.B. andere Dinge außer der Muttermilch zu sich nimmt, dann bekommt es einen neuen Namen.

Heute Abend wollen die Männer auf Affenjagd gehen und bieten mir an mitzukommen. Bei dieser Jagd wandern sie zum Stammbaum der Affen und entfachen rundherum Feuer, um die Affen davon abzuhalten zu fliehen. Im Morgengrauen klettern die Hadzabe auf die Bäume und erbeuten die Affen mit Pfeil und Bogen. Den Tag über gehen wir noch ein Mal Beeren sammeln und die Männer entscheiden sich gegen die Affenjagd, da sie sich nicht sicher sind, wo der „Stammbaum“ der Affen ist. Wir sitzen in der nachmittäglichen Hitze im Kreis der Frauen und schauen ihnen bei Handarbeiten zu. Eine Frau singt ein Lied und Issa erzählt, dass es von dem Dank an ihren Gott handelt. Dafür, dass sie die Früchte des Baobab-Baumes haben und andere nicht. Heute Nacht ist unsere erste im Lager der Hadzabe und unser Zelt wird von den unverheirateten Männern der Gruppe bewacht. Sie schlafen in unserer Nähe und im Morgengrauen wollen wir zu einer weiteren Jagd aufbrechen.


Die Jagd

Auf der Jagd


Bevor das erste Licht durch die Nacht bricht, verständigen sich die Jungen und Männer und sammeln sich an einem Feuer. Es werden Pfeile und Bögen überprüft und noch zusammen geraucht. Wir wollen zu einem Platz wandern, an dem es Affen gibt, um sie zu jagen. Mit 3 Jungen gehe ich los und in schnellem Tempo überqueren wir das Flussbett und streifen entlang des Flusses. 2 Hunde begleiten uns, um uns bei der Affenjagd zu helfen. Die ganze Zeit halten die Jungs Ausschau nach Vögeln und laufen manchmal hintereinander und manchmal nebeneinander. Jeder von ihnen ist sehr aufmerksam und setzt sich manchmal von der Gruppe ab, um Dinge und Stellen zu untersuchen. Währenddessen halten sie mit Pfeifen den Kontakt mit der Gruppe. Wir schießen 2 Vögel und die Jungs stecken sie sich an den Gürtel. Es ist nicht einfach mit ihnen Schritt zu halten und gleichzeitig auf Spuren und Zeichen zu achten. Da ich sie gebeten hatte mir mehr Spuren zu zeigen, deuten sie mehrmals auf Tierfährten hin. Dabei bleiben sie aber nicht wirklich stehen, sondern benutzen ihre Hände, um während des Gehens Informationen über das Tier weiterzugeben.

Hand Drill

Dann auf ein Mal geht alles ganz schnell! Die Hunde preschen los und die Jungs hinterher. Es gibt Gepfeife und viel Bewegung in dichtem Unterholz und ich versuche mein Bestes den Jägern in diesem Dornengestrüpp auf der Spur zu bleiben. Ich verliere sie aus den Augen und sehe plötzlich ein graues Tier am Boden entlang sausen. Ein wenig später finde ich die Jungs wieder und sie sitzen im Unterholz und direkt über ihnen sitzt ein Affe gefangen. Er traut sich wegen der Hunde nicht herunter und einer der Jungen klettert in das Geäst, um eine gute Schußposition zu bekommen. Er schießt den Affen und zieht ihn nach unten. Dann gehen wir weiter und bleiben nach 10 min. wieder am Flussbett stehen. Per Handdrill entfachen wir ein Feuer, stapeln Holz auf und der Affe wird auf den Haufen gelegt und so gebraten, samt Fell. Die Jungs teilen großzügig mit mir und ich komme in den Genuss von Affenhirn, Leber und Fleisch. Abgerundet mit ein paar köstlichen Beeren macht das ein stärkendes Mahl. Wir machen uns auf den Rückweg zum Lager und ich merke auf der einen Seite die Erschöpfung nach 4-5 Stunden Jagd, aber auch die Energie, die durch das Essen in mir aufsteigt. Den Rest des Tages verbringe ich ums Feuer sitzend, Feuerholz sammelnd und Pfeile machend.

Am Abend sieht es so aus, als würden die Männer wieder auf die Jagd gehen und ich schließe mich an. Wir gehen eine kurze Strecke und erreichen einen Beerenbaum, der wirklich voller Beeren ist. Zu meiner Überraschung bleiben wir bei dem Baum und essen sehr viele dieser leckeren, geleeartigen Beeren. Es wird viel gelacht und nachdem wir alle unseren Bauch vollgeschlagen haben, nehmen wir noch ein paar große, mit Beeren bestückte Äste für die Frauen mit und kehren im Sonnenuntergang zurück. Am folgenden Morgen fühle ich mich zu schwach, um Jagen zu gehen und bleibe im Lager. Interessanterweise entschließen sich daraufhin die Jungen und Männer auch im Lager zu bleiben und anderen Aktivitäten nachzugehen. Einer der Männer war unterwegs und hat Pfeilschäfte besorgt, um neue Pfeile zu machen. Er teilt seine „Beute“ mit der Gruppe und auch mit mir und ich kann selber Hand anlegen und die Pfeilschäfte durch Erhitzen und Biegen gerade machen.

Martin, der Mann, der die Pfeilschäfte geholt hat, zeigt mir wie er seine Pfeile verziert und bringt mir seine Technik bei. Er sagt, dass andere so seine Pfeile erkennen würden. Wir haben Issa gefragt, ob die Frauen uns ein Mal auf einer Wanderung mitnehmen können, um uns zu zeigen welche Wurzeln sie graben. Ungewöhnlicherweise machen sich die Frauen um die Mittagshitze auf den Weg und wir und 2 andere Jungen folgen ihnen. Wir kommen an einer Art Graben an und die Frauen zeigen uns welche Wurzeln man wie gräbt. Sofort gibt es eine Verkostung und nachdem wir so ca. 30 Stück zwei verschiedener Wurzeln haben, machen wir uns auf den Rückweg. Wir legen die Wurzeln aufs Feuer und sie werden erhitzt und dann geschält und gegessen. Eine der Männer holt sich 2 Wurzeln ab und bringt sie zur Männergruppe. Diese sitzt versammelt im Schatten um ein Feuer mit 3 Steinen und einem Topf darauf.

Herstellung von Gift für Pfeile

Issa erzählt uns, dass die Männer gerade dabei sind Gift für die Pfeilspitzen zu machen. Sie haben das Holz eines bestimmten Baumes in Wasser gekocht und machen dann daraus einen Sud, der dann hart wird und auf die Pfeilspitzen getan wird. Es ist sehr spannend, ihnen dabei zuzuschauen. Auffällig ist, dass der Großteil der Arbeit von älteren Jungen gemacht wird und die Älteren nur zuschauen und manchmal Hinweise geben. Ich frage Issa und er meint, dass es wichtig ist, dass die Jüngeren durch Erfahrung lernen, wie gewisse Dinge funktionieren. Wenn wir dann die Gruppe fragen, welches Holz das ist und wie stark das Gift ist, antworten oft mehrere Leute. Jeder wirft noch etwas ein oder fügt etwas hinzu. Heute ist unser letzter Abend und wir bitten Issa den Hadzabe zu sagen, dass wir ihnen gerne für Fragen, oder Dinge die sie interessieren zur Verfügung stehen. Es wird ein spannender Abend und es interessiert sie, wie es bei uns aussieht und welche Tiere es gibt. Ganz besonders interessieren sie sich dafür, wie viel der Bräutigam an die Familie der Braut geben muss, wenn er sie heiraten will. Als wir ihnen sagen, dass es nicht üblich ist, dass der Bräutigam viele Geschenke an die andere Familie gibt, lachen sie und sagen, dass wir uns wirklich glücklich schätzen können. Am Abend entdecke ich den Nordpolarstern und sage der Gruppe, dass wenn sie 1 Jahr lang in diese Richtung laufen würden, bei uns ankommen würden. Leises Staunen macht sich breit und es ist ein bezaubernder Abend um das knisternde Lagerfeuer.


Abschied

Verteilen von Essen

Heute ist unser letzter Tag bei den Hadzabe und die Tage mit wenig Essen, viel Bewegung, wenig Wasser und ständigem Draußen sein bei hohen Temperaturen haben ihre Spuren hinterlassen. Die Komfortschwellen werden deutlicher, die man durchschreiten müsste, um sich hier zu Hause zu fühlen. Issa kommt morgens ins Lager, um uns abzuholen und wir hatten am Tag vorher ausgemacht, dass wir den Hadzabe eine Ziege schenken. Wir gehen also zu den Nachbarn(den Viehzüchtern) und holen die Ziege(10 Euro) ab und schenken sie der Gruppe als Abschiedsgeschenk. Auch mein Messer schenke ich Martin und ich bin schon sehr gespannt auf das Ziegen-Festessen. Die Ziege wird festgebunden und wir packen alle Sachen zusammen und machen uns startklar. Dann auf ein Mal herrscht hektisches Treiben, da die Ziege sich losgemacht hat und plötzlich rennen 5 Männer der Ziege hinterher, die sie natürlich sehr schnell wieder einfangen. Es werden frische Zweige gesammelt und die Ziege wird auf diesem Zweigenbett umgebracht, wobei jeder Tropfen Blut aufgefangen wird. Das Häuten geht sehr schnell und präzise vonstatten und die inneren Organe werden mit dem Blut zusammen gekocht. Die Haut wird am Boden aufgespannt und getrocknet um sie dann als Kleidung zu benutzen. Um die Haut weich zu bekommen benutzen die Hadzabe tierisches Fett. Eine Frau kommt vorbei und holt sich den Magen und Darmtrakt ab und kocht ihn in einem Topf bei den Frauen. Ich werde mit leckeren Fleischstücken und Leber versorgt und alle bekommen etwas ab. Esscheint alles sehr organisiert und ruhig abzulaufen. Es gibt kein Beschweren und die Kinder werden von den älteren Männern mit Fleisch versorgt. Als die Organe aufgegessen sind, liegt die Ziege immer noch auf den Ästen und nun holen sich die Frauen den Rest(hauptsächlich Fleisch und Knochen) ab und bringen sie zu ihrer Feuerstelle. Es ist ein echt gutes Festessen und als letztes fragen wir Issa, ob einer der älteren Männer uns noch eine Geschichte erzählen kann. Er erzählt uns die Geschichte eines Mannes, der von seinen Leuten verlassen wurde und fast verhungert ist. Er verwandelte sich dann in ein Tier und fing an Menschenfleisch zu essen. Er wurde zu einer gefürchteten Kreatur und griff Durchreisende an. Ein Mann, der einen seiner Angriffe überlebte, entschied sich noch ein Mal in das nach Menschenfleisch stinkende Gebiet zu reisen und die Kreatur zu töten. Das schaffte er auch und wurde von seinen Leuten dafür gefeiert.


Issa Ngimba, Ist in der Gegend des Eyasi Sees aufgewachsen und seine Familie hatte schon in den 60 er Jahren japanischen Anthropologen geholfen, die Hadzabe zu studieren. Im Jahre 1994 lebte er 6 Monate mit den Hadzabe, als er einen japanischen Anthropologen bei seinen Studien als Guide begleitete. Issa ist einer der wenigen Guides, der Swahili, Englisch und die Sprache der Hadzabe spricht. Issa arbeitet als Guide in der Gegend um den Lake Eyasi.
E-Mail: ngimbas@yahoo.com


Weiterführende Literatur und Quellen:


Buchempfehlung: “The Language of the Land: Living Among a Stone-Age People in Africa”; Autor: James Stephenson
National Geographic Artikel
Projekt der Freunde der Naturvölker e.V.

(Visited 179 times, 4 visits today)